Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
Vom Netzwerk:
sich nicht nach ihm
umsehen. Sie hielt Ausschau nach Bria, aber Bria war bei ihm. Natürlich waren
sie zusammen.
    Er saß mitten im Raum auf einem
Hocker. Vater O'Reilly saß ihm gegenüber auf einem aufrecht stehenden Fäßchen.
Er lachte und boxte in Erinnerung an den
Kampf aufgeregt in die Luft. Merry thronte rittlings auf dem Knie ihres Vaters,
und Noreen schmiegte sich in seinem rechten Arm an ihn. Und Bria  ...
    Bria, o
Bria, es tut mir so leid. Ich wußte nicht, daß dies geschehen würde. Ich wollte
nicht, daß es geschehen würde. Aber ich werde es nicht zulassen. Sei unbesorgt,
ich werde es im Handumdrehen beenden.
    Bria stand
hinter ihm. Er lehnte sich an sie und rieb den Kopf an ihrem dicken Leib. Sie
hatte die Hände auf seine Haare gelegt. Emma wandte sich entschlossen ab und
blickte hinaus in den Abendhimmel, über den violette Wolken zogen. Erschrocken
stellte sie fest, daß die Zeit unbarmherzig weiterging und auch das Ende der
Welt nicht gekommen war.
    Das Gehen, so dachte sie,
erforderte nichts anderes, als durch die Türen hinaus auf die Straße zu treten.
    Aber Crow's Nest verlassen, die
Stadt verlassen, die Welt verlassen, hatte nichts mit dem Abschied zu tun, der
ihr bevorstand.
    Ich liebe ihn.

Siebzehntes Kapitel
    Maddie rannte immer in ihren Träumen.
    In ihren
Träumen war immer Sommer.
    Sie
träumte vom heißen Sommer an einem weißen Sandstrand mit Wellen, auf denen
Schaumkronen tanzten. Und sie rannte! 0 ja, sie rannte mit voller Kraft. Sie
streckte und beugte die Beine. Sie holte beim schnellen Lauf tief Luft und
forderte die Lungen, zwang die Muskeln zur vollen Kraftentfaltung. Sie hob die
Füße, winkelte die Beine an, der Sand rieselte um ihre Zehen, und die Wellen
leckten an ihren Fersen. Sie rannte und rannte, bis sie das Gefühl hatte, den
Boden nicht mehr zu berühren, sondern darüber hinweg zu fliegen.
    Aber ihre Träume mochten noch
so lang und beglückend sein, irgendwann hörten sie immer auf. Beim Erwachen
war es für sie immer Winter – unabhängig von der Jahreszeit.
    Der Unfall
hatte sich im Winter ereignet. In der Nacht zuvor war ein Eissturm über die
Küste hinweggefegt. Die Birken waren von Millionen Eiskristallen überzogen.
Die überfrorenen Äste klickten wie Perlen, wenn sie sich im Wind bewegten. Im
Hafen waren die Wellen zu schorfigem gelbem Eis erstarrt.
    Willie hatte den Vorschlag gemacht, mit ihr Schlitten zu
fahren. Die beiden Schwestern bemühten sich stets um seine Aufmerksamkeit. Sie
bewunderten und verehrten ihren großen Bruder. Sie liebten seine strahlenden
blauen Augen und sein spöttisches Wesen, auch wenn er sie manchmal neckte.
    An jenem Wintertag strafte er
Emma durch Nichtbeachtung, weil sie sich beim Schachspielen mit ihm gestritten
hatte. Trotzdem war es eine Überraschung, als er zu Maddie sagte: »Komm,
Kleine, hol deinen Schlitten, und ich schieb dich an, dann kannst du den Hügel
hinunterfahren.« Maddie war überglücklich.
    Als sie der
Pferdeschlitten knirschend und klirrend zum Fort Hill hinaufbrachte, läuteten
die Glöckchen munter am Geschirr. Lafayette hatte einst an dieser Stelle gegen
die englischen Truppen gekämpft. Jetzt sausten die Kinder von Bristol mit ihren
Zipfelmützen auf gewachsten Rodelschlitten den steilen glatten Abhang hinab.
    Aber an
jenem Tag war der Schnee auf dem Hügel mit Eis überzogen. An manchen Stellen
hatten sich hohe Schneewehen gebildet. In den Senken schimmerten blauviolette
Schatten. Das blasse Licht der Wintersonne brach sich an den weißen Konturen
der erstarrten Eichen und schroffen Felsen, die am Rand der Schlittenbahn
standen. Maddie blickte die lange, steile Abfahrt hinunter, und ein ängstlicher
Schauer überlief sie. Willie wollte ihr eine Freude machen, aber jetzt hätte
sie am liebsten darauf verzichtet. Doch sie wußte nicht, wie sie ihm das hätte
sagen sollen. In der Familie redete man nicht ungezwungen miteinander, keiner
von ihnen.
    Maddie
setzte sich zögernd und mit steifen Knien auf den Schlitten. Trotz der
Wollfäustlinge waren ihre Finger blau und kalt. Ein heftiger Windstoß wirbelte
eine Wolke von spitzen Eiskristallen durch die Luft. Sie glänzten und funkelten
kalt in der blassen Wintersonne. Ängstlich drehte sie den Kopf zu ihrem Bruder
um. Sein Atem stieg in dünnen weißen Wolken auf. Er hatte die Augen in eine
unbestimmte Ferne gerichtet, dorthin, wo er mit sich allein war. Willie tat
das oft. Er löste sich aus seiner Umgebung heraus, und seine Gedanken
schweiften in

Weitere Kostenlose Bücher