Pension der Sehnsucht
Braut erwartet man, dass sie nervös ist. Ruf mich an, wenn du weißt, wie viele Leute kommen. Du kannst jederzeit anrufen, Marilyn. Nein, du störst mich überhaupt nicht. Auf Wiedersehen.«
Nelly hängte ein und streckte ihren verspannten Rücken, ehe sie bemerkte, dass Percy sie erwartungsvoll ansah. »Das war Marilyn«, erklärte sie. »Sie wollte sich bei mir bedanken.«
»Ja, den Eindruck hatte ich auch.«
»Nächsten Monat heiratet sie.« Nelly rieb sich mit der Hand den verkrampften Nacken. »Hoffentlich bekommt sie nicht vorher einen Nervenzusammenbruch. Junge Leute sollten von zu Hause durchbrennen und irgendwo heimlich heiraten, dann würden sie sich und anderen das ganze Theater ersparen.«
»Ich bin davon überzeugt, dass viele Brautväter das Gleiche sagen, wenn sie erst die Kosten solch einer Hochzeit beglichen haben.« Percy stand auf, ging um den Schreibtisch herum und stellte sich vor sie hin. »Lass mich mal.« Mit leichten Bewegungen massierte er ihr den Nacken und die Schultern. Nellys Protestschrei verwandelte sich in ein hörbares Aufatmen. »Wird’s schon besser?« lächelte Percy.
»Mm. Ich spüre bereits, wie die Verspannung nachlässt.« Sie streckte sich unter seinen Händen wie ein zufriedenes Kätzchen. »Seit der Hochzeitstermin feststeht, ruft Marilyn mich mindestens dreimal in der Woche an, um irgendetwas wegen der Feier mit mir zu besprechen. Komisch, dass die Leute sich wegen einer Hochzeit so aufregen können.«
»Tja, nicht jeder ist so sachlich und nüchtern wie du.« Percys Finger berührten ihren Haaransatz. »Im Übrigen solltest du deine Idee mit dem Durchbrennen nicht so laut verkünden. Ich könnte mir vorstellen, dass Hochzeitsfeiern im Hotel einen guten Profit abwerfen.«
»Profit?« Nelly riss die Augen auf und versuchte sich zu konzentrieren. Es fiel ihr schwer, denn seine massierenden Hände benebelten ihren Verstand. »Profit?« wiederholte sie. Ein paarmal schluckte sie krampfhaft. »Ach so … ja, ja.« Sie glitt vom Schreibtisch herunter, um sich seinen Händen zu entziehen. »Ja, im Allgemeinen schon … das heißt … manchmal.« Sie lief im Zimmer auf und ab. Bei der gemeinsamen Tätigkeit in der Küche hätte sie beinahe vergessen, wer er war. »Das kommt natürlich ganz drauf an, weißt du, wer die Leute sind und so …«
»Vielleicht könntest du das alles einmal in eine allgemein verständliche Sprache übersetzen«, schlug Percy vor.
Mit einem flauen Gefühl in der Magengrube beobachtete Nelly, wie er sich erneut hinter den Schreibtisch setzte. Jetzt geht’s wieder los, dachte sie, sah ihn jedoch gefasst an.
»Das ist nämlich so: Gelegentlich richten wir Hochzeitsfeiern oder andere Gesellschaften kostenlos aus. Natürlich«, beeilte sie sich hinzuzufügen, als er sie erwartungsvoll musterte, »berechnen wir das Essen und die Getränke, aber nicht die Benutzung des Gesellschaftszimmers …«
»Warum nicht?«
Einige Sekunden lang war es absolut still im Zimmer.
»Warum nicht?« wiederholte Nelly schließlich und blickte an die Zimmerdecke. »Tja, das hängt natürlich von gewissen Umständen ab und ist auch eher die Ausnahme als die Regel.« Weshalb lerne ich nicht, den Mund zu halten? fragte sie sich. »In diesem Fall tun wir es, weil Marilyn die Cousine von Liz ist. Du kennst Liz, sie ist eine unserer Kellnerinnen«, erklärte sie, als Percy beharrlich schwieg. »In der Hochsaison hilft Marilyn gelegentlich auch bei uns aus. Wir beschlossen, wie es bei uns hin und wieder üblich ist, Marilyn als Hochzeitsgeschenk eine Feier auszurichten.«
»Wir?«
»Das Personal«, erläuterte Nelly. »Marilyn bezahlt das Essen, die Kapelle, die Blumen, und wir stellen ihr das Gesellschaftszimmer, unsere Zeit und unsere Arbeitskraft zur Verfügung.« Kaum hörbar fügte sie hinzu: »Die Hochzeitstorte bekommt sie auch von uns.«
»Ach so.« Percy lehnte sich zurück und verschränkte die Finger ineinander. »Das Personal stiftet also seine Zeit, seine Arbeitskraft und das Hotel.«
»Nur das Gesellschaftszimmer.« Unerschrocken hielt Nelly seinem vorwurfsvollen Blick stand. »Das kommt im Jahr doch höchstens ein paarmal vor. Ich kann das auch vom kaufmännischen Standpunkt her vertreten, denn es ist eine gute Reklame für unser Haus. Vielleicht könnte man den Aufwand sogar von der Steuer absetzen. Frag mal deinen Steuerberater.« Gereizt wanderte sie unruhig auf und ab. Percy blieb regungslos hinter dem Schreibtisch sitzen. »Ich verstehe gar nicht,
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