Pension der Sehnsucht
nebeneinander auf dem Sofa und tranken Tee.
»Ach, Percy«, säuselte Betty kokett, »Sie erzählen mir ja Geschichten. Ich weiß gar nicht, ob ich Ihnen glauben soll.«
Verdutzt verfolgte Nelly das Geschehen. Sie war davon überzeugt, dass Betty Jackson seit dreißig Jahren nicht mehr so heftig geflirtet hatte. Und kopfschüttelnd bemerkte sie, dass Percy ebenso hemmungslos auf Bettys Annäherungsversuche einging.
Nelly räusperte sich und trat an den Tisch. »Miss Jackson, Ihr Garten ist wirklich ein Gedicht.«
»Danke, Nelly, aber er macht mir auch viel Arbeit. Hast du alles gefunden, was du wolltest?«
»Ja, und noch einmal vielen Dank. Ich weiß gar nicht, was ich ohne Sie getan hätte.«
»Na schön.« Seufzend erhob Betty sich vom Sofa. »Ich hole dir einen großen Karton für die Blumen.«
Anschließend rang sie Percy das Versprechen ab, sie bald wieder zu besuchen. Eine Viertelstunde später saß Nelly neben ihm im Mercedes. Auf dem Rücksitz standen zwei Kartons. In dem einen befanden sich die Blumen, im anderen ein halbes Dutzend Gläser mit Gelee, die Betty Percy geschenkt hatte.
»Weißt du was«, begann Nelly mit gespielter Strenge, »du solltest dich schämen.«
»Ich?« Percy sah sie scheinheilig an. »Weswegen?«
»Das weißt du sehr genau. Noch zehn Minuten länger, und Betty wäre vor Entzücken ohnmächtig in deine Arme gesunken.«
»Ich kann doch nichts dafür, dass ich so unwiderstehlich bin.«
»Angeber. Du hast dieser Frau völlig den Kopf verdreht. Ein Wort von dir, und sie hätte ihren preisgekrönten Rosenbusch aus dem Boden gerissen und ihn vor unserer Eingangstür wieder eingepflanzt.«
»Unsinn«, protestierte Percy. »Wir haben uns nur ganz reizend unterhalten.«
»Wie hat denn der Tee geschmeckt?« fragte Nelly spitz.
»Sehr gut. Du hast ihn gar nicht probiert, oder?«
»Nein.« Nelly rümpfte die Nase und verschränkte die Arme über der Brust. »Sie hat mir ja keinen angeboten.«
»Aha, jetzt geht mir ein Licht auf.« Seufzend stellte Percy den Motor ab, denn sie waren beim Hotel angekommen. »Du bist eifersüchtig.«
»Eifersüchtig?« Nelly lachte gekünstelt und strich ein paar Staubkörnchen vom Rock. »Sei nicht albern.«
»Oh ja, ich weiß Bescheid«, behauptete er genießerisch. »Du bist ein dummes Mädchen.« Er drehte sich zu ihr um und senkte, immer noch lächelnd, seinen Mund auf ihre Lippen. Nelly sträubte sich nur halbherzig dagegen. Doch als seine Küsse immer leidenschaftlicher wurden, bekam sie Angst und wehrte sich gegen ihn.
»Percy, lass mich los.« Sie atmete hastig und rang nach Fassung: »Percy, ich finde, es wird Zeit, dass wir eine Grenze ziehen.«
»Zwischen Mann und Frau gibt es keine Grenzen, und wenn es welche gäbe, würde ich mich nicht daran halten.« Es klang so arrogant, dass es Nelly einen Moment lang die Sprache verschlug. »Ich lasse dir jetzt deinen Willen, weil es etwas kompliziert ist, dich bei hellem Tageslicht auf dem Vordersitz meines Wagens zu lieben. Aber irgendwann werden die Umstände bestimmt günstiger sein.«
Nelly kniff die Augen zusammen und fand die Sprache wieder. »Glaubst du etwa im Ernst, dass du dich mir aufdrängen kannst?«
»Wenn es so weit ist, Nelly, dann werde ich dich nicht mehr zu drängen brauchen.«
»Worauf du lange warten kannst«, fauchte sie und stieg aus. »Wir zwei werden uns nie einig werden.« Deftig schlug sie die Tür zu.
6. K APITEL
Nelly stand auf dem weitläufigen Rasen und genoss die warme Frühlingssonne. Sie hatte beschlossen, Percy Reynolds möglichst aus dem Weg zu gehen und sich auf ihre tausend kleinen Pflichten zu konzentrieren. Leider war das nicht so einfach, wie sie es sich vorgestellt hatte. Täglich mussten sie über irgendwelche geschäftlichen Dinge miteinander verhandeln.
Im Augenblick ging es im Hotel sehr ruhig zu, doch Nelly wusste, dass in drei Wochen, wenn die Saison begann, der eigentliche Betrieb erst richtig anfing. Liebevoll betrachtete sie das Haus. Die Ziegel hoben sich hell von den hohen Fichten ab, und die Fenster blitzten in der Sonne. Auf der rückwärtigen Veranda saßen zwei Gäste und spielten Karten. Nelly hörte, wie sie sich miteinander unterhielten, ohne jedoch ein Wort verstehen zu können.
Bald wäre es mit dem Frieden und der Beschaulichkeit vorbei. Dann würden sich auf dem Rasen wieder Kinder balgen und die Motorboote auf dem See die jetzt so angenehme Stille stören.
Doch selbst im Trubel der Hochsaison wirkte das »Lakeside«
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