Pension der Sehnsucht
was du daran auszusetzen hast. Das Personal opfert für diese Gesellschaften seine Freizeit. Seit Jahren ist das bei uns so Sitte. Es ist einfach …«
»Geschäftspolitik«, ergänzte Percy. »Vielleicht solltest du mir eine Liste mit euren etwas exzentrischen Richtlinien zusammenstellen. Aber ich muss dich daran erinnern, Nelly, dass sie nicht unumstößlich sind.«
»Du hast doch nicht etwa vor, Marilyn um ihre Hochzeitsfeier zu bringen?« Nelly war entschlossen, sich für Marilyn einzusetzen wie eine Glucke für ihr Küken.
»Da ich die Verantwortung für Marilyns Nervenzusammenbruch nicht auf mein Gewissen laden möchte, bin ich einverstanden. Allerdings«, setzte er hinzu, ehe sich das zufriedene Lächeln auf Nellys Gesicht ausbreiten konnte, »glaube ich, dass wir zwei uns einmal ausführlich über Sinn und Unsinn von Reklame unterhalten sollten.«
»Jawohl, Sir«, antwortete sie frostig. Eine weitere Antwort erübrigte sich, weil das Telefon läutete.
Percy bedeutete Nelly, den Hörer abzuheben. »Ich werde uns inzwischen Kaffee holen.«
Sie nahm das Gespräch entgegen, und er verließ das Büro.
In dem Augenblick, als Nelly den Hörer erzürnt wieder auf die Gabel warf, kam Percy zurück. »Der Blumenhändler kann mir meine sechs Dutzend Narzissen nicht liefern«, herrschte sie ihn an.
»Das tut mir aber leid.« Percy stellte die Kaffeetassen auf den Schreibtisch.
»Das sollte dir auch leid tun. Dies hier ist dein Hotel, und es wären deine Narzissen gewesen.«
»Aber das war doch gar nicht nötig, Nelly. Es ist sehr lieb von dir, dass du mir Blumen schenken willst, doch gleich sechs Dutzend Narzissen finde ich ein bisschen übertrieben.«
»Sehr witzig«, zischte sie und hob ihre Tasse hoch. »Dir wird das Lachen noch vergehen, wenn keine Blumen mehr auf den Tischen stehen. Wie sieht das denn aus!«
»Warum hast du keine anderen Blumen bestellt? Es gibt doch sicher noch mehr Gewächse als Narzissen.«
»Für wie dumm hältst du mich eigentlich?« wollte Nelly wissen. »In so großer Anzahl hat der Händler überhaupt keine Blumen vorrätig, frühestens erst wieder nächste Woche. Mit dem Treibhaus scheint irgendetwas nicht in Ordnung zu sein. Es ist wie verhext.« Sie nahm wütend einen großen Schluck Kaffee.
»Du liebe Zeit, Nelly, in Burlington gibt es bestimmt ein halbes Dutzend Blumengeschäfte. Lass dich doch von dort aus beliefern.« Achselzuckend tat Percy das Problem ab.
Nelly warf ihm einen Blick zu, als zweifle sie an seinem Verstand. »Ich soll die Blumen in Burlington bestellen? Hast du eine Ahnung, was die Narzissen dann kosten würden?« Sie erhob sich von ihrem Platz und nahm die Wanderung durch das Zimmer wieder auf, während sie ihm ihren Standpunkt auseinander setzte. »Mit künstlichen Blumen kann ich mich einfach nicht anfreunden. Dann lieber gar keine Blumen auf den Tischen. Bleibt also nur noch Betty Jackson. Doch das geht mir gegen den Strich, denn es ist schon schlimm genug, sie um ihr Gelee anbetteln zu müssen. Jetzt muss ich sie auch noch um Blumen anflehen. Aber etwas anderes bleibt mir gar nicht übrig. Sie hat den größten Blumengarten im ganzen Ort.« Nelly ließ sich auf den Drehstuhl fallen.
»Bist du fertig?«
»Nein.« Nelly zog sich das Telefon heran. »Erst muss ich Betty die Blumen abschwatzen.« Sie biss die Zähne zusammen. »Drück mir die Daumen.«
Geduldig lehnte Percy sich zurück und schlug die Beine übereinander. »Ich drück ja schon«, sagte er kameradschaftlich und hob demonstrativ beide Fäuste.
Nachdem Nelly das Gespräch beendet hatte, schüttelte Percy ehrlich bewundernd den Kopf. »Bravo«, rief er und prostete ihr mit seiner Kaffeetasse zu. »So viel plumpe Schmeicheleien auf einmal habe ich noch nie gehört.«
»Mit Feinfühligkeit richtet man bei Betty Jackson nichts aus.« Selbstgefällig nahm Nelly das Lob entgegen, dann stand sie auf. »Ich gehe jetzt sofort die Blumen pflücken, ehe sie ihre Meinung ändert.«
»Ich fahre dich hin«, erbot sich Percy. Er nahm ihren Arm und ging mit ihr zur Tür.
»Danke, aber es ist wirklich nicht nötig. Du brauchst dir keine Umstände zu machen.« Die körperliche Berührung erinnerte sie daran, dass es ihr in seiner Nähe immer schwer fiel, einen klaren Kopf zu behalten.
»Es macht mir nichts aus«, entgegnete er und begleitete sie hinaus. »Ich muss unbedingt die Dame kennen lernen, die, wie du sagtest, mit der Hand eines Engels Blumen zum Erblühen bringt.«
»Habe ich mich wirklich
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