Pension der Sehnsucht
zuknöpfte. Aber gegen die Liebe war kein Kraut gewachsen. Sie kam angeflogen wie die Masern.
»Es ist wie verhext.« Nelly zog einen zur Bluse passenden Rock an. »Gegen meine Gefühle komme ich einfach nicht an. Er braucht mich nur zu berühren, und mein Verstand löst sich im Nu auf.«
Nelly schüttelte verständnislos den Kopf, als sie daran dachte, dass sie Percy am vergangenen Abend gebeten hatte, bei ihr zu bleiben. Was für eine Dummheit von ihr! Sie wusste doch, dass er lediglich eine flüchtige Affäre suchte. Und sie errötete vor Scham, als sie sich an seine Abfuhr erinnerte. Warum sollte er auch seine Zeit mit ihr verschwenden, wenn er die rassig-schöne Eliza besaß?
Während der nächsten zehn Minuten überhäufte Nelly sich mit den bittersten Selbstvorwürfen. Unnachgiebig und ernst betrachtete sie sich im Spiegel und schlang sich das Haar im Nacken zu einem lockeren Knoten zusammen. Anschließend straffte sie die Schultern und verließ zufrieden ihr Zimmer.
Von Eddie erfuhr sie, dass Percy bereits im Büro saß und Eliza noch nicht aufgestanden war. Nelly nahm sich vor, beiden aus dem Weg zu gehen, was ihr auch den ganzen Vormittag über gelang.
Die Mittagszeit verbrachte Nelly im Aufenthaltsraum, um die Bestände der Bar zu prüfen. Hier war es still. Die Geräusche aus dem Speisesaal drangen nicht herein. Die Ruhe war Balsam für Nellys Nerven.
»Das ist also der Aufenthaltsraum.«
Die rauchige Stimme riss Nelly aus ihrer Versunkenheit. Mit einem Ruck drehte sie sich um, wobei sie zwei Likörflaschen gegeneinander stieß.
Eliza schwebte herein. Das blassgelbe, klassisch geschneiderte Kostüm unterstrich ihre atemberaubende Schönheit. Die gepflegten schlanken Hände hielten einen Schreibblock und einen Bleistift. Eliza betrachtete die weiß gedeckten Tische, die briefmarkengroße Tanzfläche und den aus zweiter Hand erworbenen Flügel. Prüfend fuhr sie über die Wandtäfelung aus Kiefernholz und trat dann an die mit Eichenholz verkleidete Bar.
»Wie nüchtern das alles aussieht«, kommentierte sie, »viel zu langweilig. Dem Raum fehlt der Pfiff.«
»Danke«, erwiderte Nelly betont höflich, ehe sie die beiden Likörflaschen auf das Regal zurückstellte.
»Geben Sie mir bitte einen süßen Vermouth.« Eliza schwang sich anmutig auf einen Barhocker und legte den Schreibblock auf den Tresen.
Nelly wollte ihr eigentlich scharf antworten, doch noch rechtzeitig besann sie sich auf das Versprechen, das sie Percy gegeben hatte. Deshalb schwieg sie und schenkte Eliza den gewünschten Drink ein.
»Sie müssen berücksichtigen, Miss Clark«, lächelte Eliza zuckersüß, »dass ich hier lediglich meine Arbeit tue. Diese Äußerungen dürfen Sie nicht persönlich nehmen.«
Nelly versuchte ihre Abneigung gegen Eliza zu bändigen und antwortete versöhnlich: »Sie haben natürlich Recht. Aber alles, was das ›Lakeside Inn‹ betrifft, geht auch mich etwas an. Für mich ist das Hotel mehr ein Zuhause als ein Arbeitsplatz.« Sie stellte das Glas Vermouth vor Eliza hin und zählte weiter die Flaschen.
»Ach ja, Percy erklärte mir, dass dieses Haus Ihnen sehr ans Herz gewachsen ist. Er fand das äußerst amüsant.«
»Wirklich?« Nellys Hände zitterten. »Percy scheint eine merkwürdige Auffassung von Humor zu haben.«
»Nun, man muss ihn sehr gut kennen, um solche Äußerungen richtig zu deuten.« In dem Spiegel, der sich hinter den Regalbrettern befand, trafen sich ihre Blicke. Eliza lächelte und hob das Glas. »Percy hält Sie für eine sehr tüchtige Angestellte. Sie könnten gut mit Leuten umgehen, meinte er.« Eliza lächelte erneut und nahm dann einen Schluck. »Von seinen Untergebenen verlangt Percy sowohl eine erstklassige Leistung als auch Gehorsam. Manchmal greift er auf recht ungewöhnliche Methoden zurück, um seine Leute dazu zu bewegen.«
»Ich dachte mir schon, dass Sie in dieser Hinsicht Ihre Erfahrungen gesammelt haben.« Langsam drehte Nelly sich um.
»Schätzchen, Percy und ich haben nicht nur beruflich miteinander zu tun. Ich verstehe aber, dass er sich manchmal sehr intensiv mit einem geschäftlichen Problem befasst.«
»Wie großzügig von Ihnen.«
»Wer mit Percy auskommen will, muss ihm ziemlich viel Spielraum lassen.« Sie fuhr mit dem Finger über den Rand ihres Glases. »Und für weibliche Gefühlsausbrüche oder hysterische Szenen hat er schon gar kein Verständnis.«
Nelly erinnerte sich an ihren Tränenschwall und daran, wie Percy heftig schimpfend das Zimmer
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