Pension der Sehnsucht
habe dir zwar versprochen, dich über jede Veränderung zu informieren, aber wenn du weiterhin so frech zu meinen anderen Angestellten bist, wirst du dich noch wundern.«
»Miss Trainor wirkt nicht, als sei sie auf den Mund gefallen«, entgegnete Nelly schnippisch.
»So?« Er lächelte. »Weißt du eigentlich, dass du mich am meisten reizt, wenn du wütend bist? Du siehst bezaubernd aus. Das Kleid ist so brav, dass es schon wieder verführerisch wirkt. War es Zufall oder Absicht, dass du es heute Abend angezogen hast?«
Wie nebenbei öffnete er einen Knopf nach dem anderen. Sie sträubte sich nicht.
»Was meinst du damit?« Nelly wollte sich losreißen, doch ihre Füße versagten den Dienst. »Verlass jetzt bitte mein Zimmer, Percy.«
»Du lügst ja«, warf er ihr sanft vor. Seine Hand schob sich in das offene Mieder ihres Kleides. Er streichelte ihre weiche Haut und berührte ihren Busen. »Sag mir noch mal, dass ich gehen soll.«
Der Boden schien wie ein Schiffsdeck unter Nelly zu schwanken. »Ich will, dass du jetzt gehst.« Ihre Stimme klang belegt.
»Das glaube ich dir nicht, Nelly. Dein Körper spricht eine andere Sprache.« Er massierte leicht ihren Rücken, ehe er sie eng an sich zog. »Du willst mich genauso, wie ich dich will.« Sein Mund umschloss ihre Lippen.
Nelly kapitulierte vor einer Macht, die stärker war als sie, schmiegte sich in Percys Arme und ließ sich bereitwillig von ihm küssen.
Percy hatte ihr Herz erobert. Nelly war zugleich beseligt und verzweifelt. Dass sie sich in Percy verliebt hatte, war eine Katastrophe. Sie brauchte ihn, und das machte sie wehrlos und verletzlich. In seinen Armen zu liegen bedeutete für sie höchstes Glück und tiefsten Kummer. Sie hatte sich im Netz ihrer eigenen Wünsche und Sehnsüchte verstrickt, und jeder Versuch, sich daraus zu befreien, musste scheitern.
»Gib’s zu«, drängte er, während seine Lippen ihren zarten Hals entlangwanderten. »Gib zu, dass du mich willst. Sag mir, dass ich hier bleiben soll.«
»Ja, ich will dich.« Sie stöhnte auf und lehnte sich an seine Schulter. »Ja, ich will, dass du hier bleibst.«
Sie spürte, wie er zurückzuckte, und drückte ihr Gesicht tiefer in den Stoff seiner Jacke. Doch er zwang sie, ihn anzusehen. In ihren Augen glitzerten die mühsam zurückgedrängten Tränen, und ihr Mund zitterte. Nelly musste sich beherrschen, um nicht ihren Liebeskummer an seiner Brust auszuweinen. Eine Ewigkeit lang sah er sie unbewegt an. Sie verstand nicht, warum seine Züge sich verhärteten. Was er anschließend sagte, traf sie wie ein Fausthieb.
»Ich glaube, wir sind etwas vom Thema abgewichen.« Er trat einen Schritt zurück und vergrub die Hände in den Taschen seines Jacketts. »Ich habe mich doch unmissverständlich ausgedrückt, als ich meine Wünsche äußerte.«
Verwirrt schüttelte sie den Kopf. »Percy, ich …«
»Wir unterhalten uns besser morgen weiter.« Beim Klang seiner Stimme prallte sie zurück. »Ich verlange von dir, dass du Miss Trainor rücksichtsvoll und mit der gebotenen Höflichkeit behandelst. Vergiss nicht, dass sie auch ein Gast ist und entsprechend respektiert werden muss.«
»Selbstverständlich.« Nelly konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. »Ich werde Miss Trainor die Wünsche von den Augen ablesen.« Nelly zog die Nase hoch, wischte sich übers Gesicht und fügte würdevoll hinzu: »Darauf gebe ich dir mein Ehrenwort.«
»Dein Ehrenwort?« Percy trat einen Schritt auf sie zu. Nelly flüchtete sich ins Bad und verriegelte die Tür hinter sich.
»Verschwinde«, schluchzte sie. »Verschwinde endlich und lass mich in Frieden. Ich habe dir mein Versprechen gegeben, und jetzt hast du nichts mehr bei mir zu suchen. Geh zu deiner Miss Innenarchitektin und lass mich in Ruhe. Deine Befehle werde ich bis aufs i-Tüpfelchen genau ausführen, aber mach dich jetzt aus dem Staub.«
Percy schimpfte und knallte die Tür zu. Wie ein Häufchen Elend ließ Nelly sich auf den gekachelten Boden sinken und weinte herzzerreißend.
8. K APITEL
»Du lernst wohl nie dazu, was?« Nelly stand vor dem Spiegel und sprach mit sich selbst. Die Morgensonne enthüllte gnadenlos, dass ihre Augenränder vom Weinen immer noch geschwollen waren. »Du hast dich mal wieder unglaublich blamiert.«
Seufzend fuhr sie sich mit allen zehn Fingern durchs Haar, ehe sie sich vom Spiegel abwandte. Wie konnte es mir nur passieren, dass ich mich in ihn verliebt habe, fragte sie sich, während sie die hellgrüne Bluse
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