Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
Nach dem Training, beim Stretching, saß Pep oft neben ihm, und sie sprachen über unverfängliche Themen, über das Wetter, die Vorhaben für den kommenden Abend, es waren relativ belanglose Gespräche, wie sie unter Kollegen üblich sind. Und dann schlüpfte Guardiola plötzlich in Gestik und Ton in die Trainerrolle: Die Unterhaltung drehte sich jetzt um das nächste Spiel, um das, was er von dem Spieler erwartete, was dieser zuletzt richtig gemacht hatte und was noch verbessert werden konnte. Xavis Wunden, die ihm die Niederlage zugefügt hatte, verheilten, und die Laune änderte sich – es gab ein neues Ziel.
Wie man in Spanien sagt: Mit Guardiolas Ankunft ging für Xavi der Himmel auf, und die Sonne kam durch. Der Mittelfeldspieler gewann seine Sicherheit und sein Selbstwertgefühl zurück, er stand jetzt vor den vier erfreulichsten Jahren seiner gesamten Laufbahn. In dieser ganzen Zeit sollte der Trainer immer betonen, ohne die Spieler sei er nichts, sie seien es, die ihn gut machten. Aber die Fußballer erkannten ihn als Führungspersönlichkeit an und waren dankbar dafür, dass er ihnen den Weg wies.
Es gab allerdings immer noch viele andere, eine ganze Mannschaft, die er für sich gewinnen musste.
In seiner ersten Ansprache vor dem gesamten Kader in St. Andrews stellte Guardiola seinen Masterplan vor. Aber er verlangte vor allem eines: Die Spieler würden viel laufen, arbeiten und hart trainieren müssen – jede Mannschaft, das ist seine Überzeugung, spielt so, wie sie trainiert. Er sprach von einer Kultur der Anstrengung, des Opfers, und das überraschte viele. Das war Pep: Der Fußball-Romantiker verlangte von Barcelona, unermüdlich zu laufen!
Er wollte ein System umsetzen, das eine weiterentwickelte Version ihrer bisherigen Spielweise war, ein System, bei dem das Fußballspielen mit dem Torwart begann. Er sollte als eine Art letzter Mann im Feld agieren und sich daran gewöhnen, den Ball öfter mit den Füßen als mit den Händen zu spielen. Zwar erkannten alle, dass dieser Spielstil die Mannschaft verbessern konnte, aber das damit verbundene Risiko war enorm.
»Dieser Punkt ist übrigens nicht verhandelbar«, betonte Pep.
Der Torwart Víctor Valdés verlangte sofort ein Gespräch mit ihm. Wenn das neue System nicht funktionierte, würde er der Erste sein, dem man die Schuld dafür gab. Er würde ganz allein in der Schusslinie stehen, auf dem Rasen und darüber hinaus, und musste überzeugt werden. War es tatsächlich eine so gute Idee, die Abwehrreihe bis zur Mittellinie vorzuschieben und die Spieleröffnung den Innenverteidigern zuzuweisen? Fußball ohne Sicherheitsnetz? Sind wir so sicher, dass das der Weg in die Zukunft ist? Valdés, der äußerlich zurückhaltend wirkt, dessen Markenzeichen aber eine Mischung aus Frechheit und Direktheit ist, die ihm in der Mannschaft zu großer Beliebtheit verhalf, war mutig genug, um wenige Tage nach der Rede in St. Andrews das direkte Gespräch mit Pep zu suchen.
Víctor Valdés: »Kann ich mit dir reden, Chef?«
Pep Guardiola: »Meine Tür steht immer offen …«
Valdés: »Ich habe nur eine Frage. Alles, was du sagst, ist prima, aber nur, wenn die Innenverteidiger den Ball auch fordern …«
Pep: »Ich werde dafür sorgen, dass sie den Ball fordern.«
Das war alles. Ende der Unterhaltung.
Valdés besaß vor Peps Ankunft keinerlei taktisches Wissen. Die nächsten vier Jahre waren für den Torhüter gleichsam ein Studium in Taktikfragen.
In diesen ersten Tagen in Schottland bat Guardiola Carles Puyol, den Mannschaftskapitän, zu einem Gespräch in sein Hotelzimmer in St. Andrews. Der Trainer zeigte ihm ein Video: »Ich möchte, dass du so spielst.« In diesem Film bekamen verschiedene Innenverteidiger in einer Position seitlich zum Strafraum vom Torwart den Ball zugespielt, gaben ihn an den Außenverteidiger weiter und liefen sich dann so frei, dass sie den Ball zurückbekommen konnten. Es war ein Thema, bei dem Abwehrspieler Albträume bekommen, weil ein einfacher Fehler dazu führen konnte, dass man ein Gegentor verschuldete. Puyol begann seine Laufbahn als Rechtsaußen, wurde aber wegen begrenzter technischer Fähigkeiten zum rechten Verteidiger umgeschult. Unter Cheftrainer Louis van Gaal stand er einmal sogar kurz davor, an den FC Malaga ausgeliehen zu werden, aber wegen einer Verletzung von Winston Bogarde blieb er im Klub. Jetzt, im Alter von 30 Jahren, sollte er seinen Spielstil ändern.
Pep sagte zu Puyol: »Wenn du nicht tust, was ich
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