Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
Aber alles hat natürlich seine Grenzen.
»Wir könnten eine eigene Beschwerdeliste aufstellen. Wir könnten an Stamford Bridge oder 250 000 andere Dinge erinnern, aber wir haben keine Sekretäre und Exschiedsrichter oder Generaldirektoren unter unseren Mitarbeitern, die solche Beschwerdegründe für uns aufzeichnen. Also … bleibt uns nichts anderes übrig, als morgen um 20.45 Uhr auf diesen Platz zu gehen und zu versuchen, mit dem besten Fußball, den wir spielen können, zu gewinnen.
In diesem Raum ist er der beschissene Boss, der puto amo, der beschissene Chef.
Er kennt den Lauf der Welt besser als jeder andere. Ich möchte auf diesem Gebiet nicht eine Sekunde lang mit ihm konkurrieren.«
Es gab noch etwas, was er nicht unausgesprochen lassen wollte. Dieser José Mourinho, der die Rechtmäßigkeit von Barcelonas Erfolgen infrage stellte, ist derselbe Mann, der ihn einst, vor vielen Jahren, an jenem Abend in Rotterdam umarmt und hochgehoben hatte. Sie waren Kollegen gewesen, sogar Freunde. Angestellte des FC Barcelona. José, was ist passiert?, wollte Pep fragen.»Ich möchte ihn nur daran erinnern, dass wir vier Jahre zusammen waren. Er kennt mich, und ich kenne ihn. Das genügt mir. Wenn er es lieber mit Erklärungen und Behauptungen von Journalistenfreunden von Florentino [Pérez] über die Copa del Rey halten will und dem, was sie schreiben, mehr Gewicht beimisst als der Freundschaft, nein, nicht unbedingt Freundschaft, als der Arbeitsbeziehung, die wir damals hatten, dann ist das seine Sache.«
Das Geschehen blieb kontrolliert, die Emotionen kamen mit dem richtigen Tonfall ins Spiel. Peps Körper wurde eine kaum messbare Menge an Anspannung und angestautem Zorn los. Im Wissen um die Bedeutung dieses Augenblicks, nachdem er alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, und mitten im Monolog, blieb sogar noch Zeit für Humor.
»Er kann weiterhin Albert lesen [gemeint war Einstein: Mourinho hatte gesagt, dass er ihn gerne in seinen Ansprachen zitierte, um den Spielern Anregungen zu geben]. Er soll das in völliger Freiheit tun, oder er soll die Gedanken der Journalisten lesen, die am Busen von Florentino Pérez saugen, und dann jede beliebige Schlussfolgerung ziehen.
Ich werde meine Worte nicht rechtfertigen. Nach dem Pokalendspiel gratulierte ich Real Madrid nur, so halten wir das in Barcelona. Ich gratuliere Real Madrid zu dem verdienten Sieg gegen die gute Mannschaft, die ich mit viel Stolz repräsentiere.«
Nach Peps Gefühl war jetzt alles gesagt, die Arbeit war getan. Er saß inzwischen sehr entspannt da und schaute unmittelbar in die Kameras. In Richtung Mourinho.
»Ich weiß nicht, welche davon Josés Kamera ist. Ich weiß nicht, welche Kamera die deine ist, aber …
… das war’s.«
Der Fehdehandschuh war aufgenommen.
Der Tag war voller Anspannung gewesen, aber die Trainingsvorbereitungen verliefen ruhiger. Die Mannschaft erholte sich immer noch von der Pokalniederlage. Die Höreranrufe bei katalanischen Radiosendern fielen in der Pause zwischen Mourinhos und Peps Pressekonferenz allerdings zunehmend erregt aus. Angehörige der Spieler, die nach Madrid mitgereist waren und um die Provokationen des Portugiesen wussten, waren aufgebracht. Wie konnte er mit so etwas davonkommen?
Die Spieler beendeten gerade ihr Training, als Pep seine Antwort gab. Mourinho war nicht davongekommen.
Nach Guardiolas Gefühl hatte Madrid die Initiative übernommen, und er musste sie zurückgewinnen. Der Gesamteindruck und die Titelvergabe hätten sich ganz anders gestalten können, wenn Barcelona nicht reagiert hätte. Es war der heikelste Augenblick der gesamten Saison, alles stand auf Messers Schneide, und Pep fühlte sich gesättigt und bereit zugleich, ausgelaugt und stark.
Manel Estiarte stellt das Ereignis in den Zusammenhang: »Glaubst du, es war eine gute Idee, all das rauszulassen? War es das? Wenn man gerade das Pokalfinale verloren hat und sie uns, ohne Iniesta, auf europäischer Ebene richtig wehtun können? Hätten wir verloren, wäre es als Fehler bewertet worden. Pep zeigte Stärke – es war zweifellos der ungünstigste Augenblick, um mit einem Spruch wie ›Er ist der beschissene Chef‹ auf Konfrontationskurs zu gehen.«
Mit anderen Worten: Hätte Barcelona auch den nächsten Clásico verloren, wäre Peps Rede als Kontrollverlust gewertet worden, als Wutrede. Folgte jedoch ein Sieg, würde sie zum glatten Geniestreich. Wie man es auch betrachtete, Guardiola verabreichte seiner Mannschaft
Weitere Kostenlose Bücher