Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
nahm er sich Guardiola vor.
»Und jetzt, nach Peps Erklärung vor Kurzem, treten wir in eine neue Ära ein, mit einer dritten Gruppe, der vorläufig nur er selbst angehört und die eine korrekte Schiedsrichterentscheidung kritisiert. So etwas habe ich im Weltfußball noch nie zuvor erlebt.«
Mourinho bezog sich damit auf ein Tor des Bar Ç a-Spielers Pedro Rodríguez im spanischen Pokalfinale gegen Real Madrid am 20. April, das wegen Abseits nicht gegeben wurde und bei dem die Zeitlupenwiederholung zeigte, dass der Schiedsrichter richtig entschieden hatte.
»In seiner ersten Saison war [Guardiola] beim Skandal von Stamford Bridge [im Halbfinale] dabei, letztes Jahr spielte er gegen Inter, das einen Mann weniger hatte. Heute hat er an den Schiedsrichtern etwas auszusetzen. Ich bitte den Schiedsrichter nicht, mein Team zu unterstützen. Pfeift der Schiedsrichter gut, werden alle Leute zufrieden sein, bis auf Guardiola. Er will, dass die Schiedsrichter Fehlentscheidungen treffen.«
Der Champions-League-Clásico war bereits angepfiffen worden.
Einer der ranghöchsten Funktionäre des FC Barcelona kam an ebendiesem Nachmittag in die sakrosankte Umkleidekabine – nach dem Mannschaftstraining, das im Bernabéu-Stadion stattfand, noch vor Peps eigenem Pressetermin und im Wissen um das, was Mourinho wenige Minuten vorher gesagt hatte. Der Auftritt überraschte viele.
Das Vorstandsmitglied sagte zum Trainer, er solle sich beruhigen, sich nicht auf ein verbales Scharmützel einlassen und der Pep bleiben, den man kenne. Es wäre vielleicht eine gute Idee, lautete der weitergehende Vorschlag, wenn Mascherano ihn begleitete, ein stets ausgeglichener, gelassener Mensch. Dieser wurde dann tatsächlich auch dazu bestimmt, den Trainer zur Pressekonferenz zu begleiten.
Aber Pep hatte bereits beschlossen zu reagieren. Es reichte ihm jetzt.
Bei Auftritten vor den Medien war Pep immer der Bar Ç a-Trainer gewesen, ein Repräsentant des Klubs und niemals nur Pep Guardiola. Dutzende Male schon hatte er sich auf die Zunge gebissen. Aber jetzt hatte er genug. Er wollte so reagieren, wie sein Körper es ihm signalisierte, genau nach seinem Gefühl.
»Lass uns über Fußball reden, nicht wahr, Pep«, erinnerte ihn der Vorstandsherr, wenige Minuten bevor Guardiola den Presseraum im Bernabéu-Stadion betrat. »Ja, ja«, antwortete der Coach. Das entsprach nicht der Wahrheit.
Aber kurz bevor er den Besprechungsraum betrat, in dem Dutzende von Journalisten aus aller Welt auf ihn warteten, überkam ihn ein Zweifel. Er sah sich nach Unterstützung um.
Guardiolas Denken ist niemals nur eindimensional oder simpel.
War das, was er jetzt vorhatte, eine gute Idee? Manel Estiarte war in seiner Nähe: »Pep, denk nur an deine Spieler, an dich selbst, an all die Barcelona-Fans da draußen auf der Straße.«
Das war es. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Er setzte sich und packte den Stier bei den Hörnern.
»Da Herr Mourinho meinen Namen erwähnt und mich Pep genannt hat, werde ich ihn José nennen.« Pep schaute mit einem knappen Lächeln in die Runde. Vor ihm saßen die Journalisten in Reihen, hinter ihnen waren Dutzende von Kameraleuten zu sehen. »Ich weiß nicht, welche Kamera die von Herrn José ist. Das müssen wohl die alle sein.«
Seine Körpersprache signalisierte Unbehagen. Er bewegte die Schultern, änderte die Sitzhaltung. Aber im Verlauf des Gesprächs übernahm der mühelos formulierende Pep, der Mann, der immer überzeugend wirkt, allmählich wieder die Kontrolle.
»Morgen um 20.45 Uhr werden wir dort draußen ein Spiel austragen. Außerhalb des Platzes hat er das ganze Jahr gewonnen, die ganze Saison, und auch in Zukunft wird das so sein. Er kann seine persönliche Champions League jenseits des Platzes haben. Prima. Er soll seine Freude daran haben, ich gönne sie ihm. Er kann sie mit nach Hause nehmen und sich daran erfreuen.«
Die Ansprache, zwei Minuten und siebenundzwanzig Sekunden lang, wurde mit kontrolliertem Zorn vorgetragen, mit Witz und ohne Pause.
»Wir werden ein Fußballspiel austragen. Manchmal gewinne ich, manchmal verliere ich, wir gewinnen, wir verlieren. Normalerweise gewinnt er, wie sein Lebenslauf zeigt. Wir sind über unsere ›kleineren‹ Siege glücklich, die anscheinend in aller Welt Bewunderung auslösten, darauf sind wir sehr stolz.«
Monatelang hatte er zu seinen Spielern gesagt: »Denkt ihr, ich will nicht antworten? Aber das können wir nicht, wir sollten es nicht tun. Wir sind Barcelona.«
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