Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
stand wieder auf, sah besorgt aus. Er konnte nicht stillsitzen oder -stehen. Es folgten noch mehr Anweisungen. Fäuste wurden in die Luft gereckt, Arme ausgebreitet. Er vermittelte und verströmte reine Leidenschaft und Energie. So ist Pep, als Spieler und als Trainer, ja sogar als Zuschauer!
Er hatte keine Titel versprochen, sondern nur gesagt, er werde jedes Spiel wie ein Finale angehen, und jede Minute jedes einzelnen Spiels sei ihm gleich wichtig. Eine Gruppe, in der nicht gerufen, umarmt und alles gegeben wird, versteht oder akzeptiert er nicht. All das war im ersten Ligaspiel der Saison von Anfang an mitzuverfolgen.
Er gab Dani Alves nach einer kurzen Instruktion sogar einen Klaps ins Genick. Der irritierte und überraschte Alves wandte sich um. Es war nur eine anerkennende Geste, mit der er Kontakt zur Bank aufnahm. »Aber eines Tages werden sie sich umdrehen und dir einen Klaps verpassen«, warnte ihn Estiarte und lachte dabei.
Von Anfang an arbeitete Pep an einer Kameradschaft, er schuf eine Verbindung, einen unausgesprochenen Code zwischen den Fußballern. Die Spieler sind aus Fleisch und Blut, und auch sie mögen diesen Kontakt, selbst wenn er aus einem Klaps besteht. Pep berührt die Spieler ständig, umarmt und schubst sie, um sie zu motivieren, bei der Stange zu halten und ihnen das Gefühl zu geben, dass er sie mag. Und seine Erfahrung als Fußballer gibt ihm die Möglichkeit zu entscheiden, wann er so etwas tut und wann nicht.
Barcelona griff viel zu oft durch die Mitte an, die Spielzüge konzentrierten sich auf den überfüllten Bereich vor dem Tor. Das war zu eng. Aber ein Element war ein Vorzeichen für das, was noch folgen sollte: Sie hatten ein enormes Übergewicht bei Ballbesitz und Torchancen. Es gab 20 Torschüsse von Barcelona und drei von Numancia, und einer davon war ein Tor von Mario, nach einem Abwehrfehler, durch den er ungedeckt am zweiten Pfosten stand.
Barcelona verlor 0:1. Wurde besiegt von einem bescheidenen Klub mit einem Jahresbudget von 14,4 Millionen Euro gegenüber 380 Millionen des FC Barcelona. Es war das Schockergebnis des Wochenendes, des Monats, ja sogar der Saison.
Nach dem Schlusspfiff schob Guardiola seine Zweifel, seine Enttäuschung und seine Frustration beiseite, ging zu Sergio Kresick, dem Trainer der Gastgeber, gab ihm die Hand und gratulierte ihm zum Erfolg.
»Als wir dieses erste Spiel in Soria verloren, herrschte in der Kabine keine gute Stimmung«, erinnert sich Iniesta. »Aber Pep tauchte umgehend auf, hielt die Situation unter Kontrolle und half uns, das Ergebnis zu akzeptieren.«
Die Saisonvorbereitung hatte den Spielern ihren Hunger wiedergegeben, sie kannten den Weg, der einzuschlagen war, die Denkweise, die dahinterstand, und die Aufgaben, die ihnen bevorstanden. Sie waren aufnahmebereit – jedenfalls die meisten von ihnen – und verstanden allmählich, was Pep von ihnen wollte. Aber sie hatten ihr erstes Meisterschaftsspiel gegen eine Mannschaft verloren, die sie nach den allgemeinen Erwartungen eigentlich hätten deklassieren müssen. Guardiola bemühte sich gleich nach dem Spiel, der Mannschaft zu vermitteln, dass sie wegen dieser Niederlage überhaupt nichts ändern müssten. Sie hatten Fehler gemacht, und die wurden ihnen unmittelbar danach auch erklärt, aber sie sollten sich dennoch eine ganz klare Vorstellung davon bewahren, wohin die Reise ging. El Mister, wie Trainer in Spanien genannt werden, sagte seinen Spielern an jenem Abend in Los Pajaritos etwas, was er seitdem einige Male wiederholt hat:
»Wir sollten das Ziel nicht aus den Augen verlieren.«
Das Ziel seien nicht Titelgewinne, sondern die Entwicklung einer bestimmten Spielweise. Wenn sie an ihren Grundsätzen festhielten, seien Titel die vollkommen logische Konsequenz. Und einer der Schlüssel zum Erfolg sei, das Ziel niemals aus den Augen zu verlieren.
Guardiola knöpfte sich seine Spieler in den Tagen nach diesem Auftaktspiel bei harten Trainingseinheiten vor. Er betonte, dass ihr Stellungsspiel nicht in Ordnung gewesen sei. In Zukunft müssten sie sich schlauer postieren, um den Pass annehmen zu können, und sie müssten den Gegner schneller unter Druck setzen. Kein einziges Mal erging sich Pep in Schuldzuweisungen, stattdessen galten all seine Anstrengungen der Entwicklung von Lösungen. Das fühlte sich mehr nach Unterricht an, nicht nach Training. Die Spieler lernten.
Im Fußball ist es – wie in jedem anderen Lebensbereich auch – wichtig, in Krisenzeiten ruhig zu
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