Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
bisherigen Ergebnissen gab es in den Medien auch eine Reihe einflussreicher Stimmen, die die Ansicht vertraten, Barcelona spiele gut und habe seinen Titelhunger wiedergefunden. Johan Cruyff schrieb in El Periódico, dies sei »die beste Bar Ç a-Mannschaft, die ich seit Jahren gesehen habe«. Pep brauchte trotz seiner Zuversicht jemanden, der ihn in seinem Glauben bestärkte, dass alles gut lief. Er beschloss, mit Cruyff zu sprechen.
Guardiola war von der Persönlichkeit des Trainers fasziniert gewesen, noch bevor ihm selbst bewusst war, dass er diese Rolle einnehmen wollte. Nur wenige Trainer, die Pep beeinflussten, hatten eine so nachhaltige Wirkung auf ihn wie Johan Cruyff, der Mann, der seine Überzeugungen nach Barcelona mitbrachte und die gesamte Organisationsstruktur des Klubs veränderte. Cruyff führte eine Leidenschaft ein, die auf Guardiola und viele andere Spieler seiner Generation übersprang, und seine Wirkung auf den FC Barcelona ging weit über das hinaus, was ein einfacher Spieler oder Fußballtrainer sonst erreicht. Nach Guardiolas Ansicht war Cruyffs größtes Wunder, dass er die Mentalität eines Landes veränderte und ganz Katalonien davon überzeugte, dass seine Spielweise die einzig richtige war.
»Fußball wird für die Menschen gespielt«, sagte Cruyff oft. Und fügte hinzu: »Ich will, dass meine Mannschaft gut spielt, und sei es nur deshalb, weil ich mir alle Spiele ansehen muss und mich nicht langweilen will.«
Cruyff musste arrogant auftreten, um die Skeptiker zu überzeugen, und so entwickelte sich eine Hassliebe im Umgang mit seinen Schülern, dem Vorstand und den Medien. Nicht jeder akzeptierte seine Vorschläge, und selbst bei Teilen seiner ersten Mannschaften gab es Opposition gegen seine Ideen. Der junge Pep verstand nicht jede Entscheidung, die getroffen wurde, wollte aber den Denkprozess verstehen, der dahinterstand, und wurde, nachdem er erst einmal überzeugt war, rasch zu einem treuen Gefolgsmann Cruyffs.
Der holländische Trainer hatte drei Grundsätze, die nicht zur Verhandlung standen: Erstens waren die Dinge, die auf dem Spielfeld geschahen, keine Zufälle, sondern Folge der eigenen Absichten. Man konnte den Ball nicht nur wegen des Zuspiels zu seinem eigenen Vorteil spielen, sondern beispielsweise auch wegen des Stellungsspiels und der Körperhaltung, die man einnahm.
Zweitens sollte man den Ball nach nur einer Berührung unter Kontrolle haben. Brauchte man eine zweite, gehörte man nicht zu den besten Spielern, sondern nur zu den guten. Brauchte man eine weitere, war man ein schlechter Spieler.
Drittens – und das war entscheidend für Peps Position als vor der Abwehr agierender Mittelfeldspieler – musste er den Ball zu den Flügelspielern passen, um das Spielfeld größer und weiter zu machen und Räume auf dem ganzen Platz zu öffnen.
Cruyff gab nicht zu jeder Position einen Kommentar ab, lieferte aber allgemeine Anweisungen, die immer von gesundem Fachverstand durchdrungen waren: Wenn er über Passwege sprach, wies er seine Spieler an, sich nicht in den Ecken anzubieten, weil das den Passwinkel verengte. Beim Stellungsspiel bestand er darauf, dass der Spieler in dem ihm zugewiesenen Bereich blieb, vor allem dann, wenn der Ball verlorenging.
Aber Cruyff gelang es nicht, seine ganze Ideologie zu einer funktionierenden Methodik zusammenzufassen. Louis van Gaal war da hilfreich. Und Pep Guardiola gab seiner Version einen neuen Dreh: »Ich stehle Ideen, Ideen werden geteilt, sie wandern von einer Person zur nächsten.«
Ein Treffen mit Cruyff würde Pep deshalb eine Gelegenheit bieten, sich bei seinem Mentor eine Anleitung zu holen. Es war eine Chance, sich ein paar neue Ideen anzuhören und Bestätigung für die eigenen Vorstellungen zu finden. Nachdem er zunächst ein gewisses Zögern überwunden hatte, weil Guardiola bei der Präsidentenwahl 2003 Lluis Bassat unterstützt hatte, wusste er, wie wir bereits gesehen haben, dass er im Umgang mit dem Holländer Brücken bauen musste. Was wäre da besser gewesen, als ihm das Gefühl zu geben, wichtig zu sein, und ihm all den Respekt zu erweisen, den er für ihn empfand, indem er ihm als Lehrling gegenübertrat?
Guardiola spricht Cruyff immer in der spanischen »Sie«-Form an ( usted ), die heutzutage eine sehr seltene, altmodische Angewohnheit ist. Beim Aufwärmgespräch, sei es nun in Cruyffs oder in Peps Haus, bei einem Essen, einer Besprechung oder einem sonstigen Anlass, erweist der Schüler seinem ehemaligen
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