Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
wirken, Schwächen zu verbergen. Pep sagte der Mannschaft im Brustton der Überzeugung, sie sei auf dem richtigen Weg. Das war zwar nicht ganz und gar gelogen, aber einigen Leuten im Klub beichtete er, dass er sich vertan hatte: »Die Saisonvorbereitung war großartig, aber jetzt, mit Beginn der Meisterschaftssaison, habe ich es zugelassen, dass die Spieler wieder in ihren alten Trott verfielen, in die alte Taktik, das Spiel durch die Mitte.«
Die internationalen Begegnungen sorgten jetzt für eine zweiwöchige Pause bis zum nächsten Erstligaspiel. Diese fünfzehn Tage sollten zu den schwierigsten Phasen seiner Amtszeit zählen.
Peps Ligadebüt als Trainer im Camp Nou war die Begegnung mit Racing Santander, einem weiteren Team mit bescheidenen Mitteln, dessen Ziel der Klassenerhalt war. Pep nahm in seiner Aufstellung zwei wesentliche Veränderungen vor. Er nahm Pedro und Busquets in die Startelf auf, Touré musste auf die Bank, und Henry war verletzt. Stand Pep unter Druck, suchte er die Lösungen bei den eigenen Nachwuchsleuten, das hielt er in seiner Amtszeit wiederholt so.
Die Gäste hielten bei Barcelona ein 1:1-Unentschieden.
Peps Team zahlte den Preis für eine mangelhafte Chancenverwertung und musste sich gegen eine sehr defensiv eingestellte Racing-Mannschaft, der eine klare Chance für ein Tor genügte, mit einer Punkteteilung begnügen. Ein äußerst frustrierendes Ergebnis.
Pep musste in der Kabine nicht auf Fehler hinweisen, denn es hatte nur wenige gegeben. Bei jener Spielnachbereitung entdeckte er sich selbst als Trainer. Er war dankbar dafür, dass er seinem instinktiven Spielverständnis den Vorzug gegeben und vertraut hatte, mehr noch, als jede denkbare Lektüre ihm hätte raten können. Ja, es stand noch mehr Selbsterforschung an, noch mehr Überzeugungsarbeit, mehr Arbeit an den Ideen, die er dem Klub einimpfen wollte. Aber gegen Racing Santander hatte er seine Mannschaft so spielen sehen, wie er das gewollt hatte.
Das war mit Sicherheit eine Verbesserung, Dissens und Unruhe kamen nur von außen – von den Medien oder Radio-Anrufsendungen –, nicht aus der Mannschaftskabine. Einige reaktionäre Besserwisser forderten sogar Peps Kopf.
Unmittelbar vor dem nächsten Training ging Iniesta, der zu Beginn des Racing-Spiels noch auf der Bank gesessen hatte, zu Peps Büro, klopfte an die Tür, steckte seinen Kopf durch die Türöffnung, ohne einzutreten, sagte: »Keine Sorge, Mister . Du solltest wissen, dass wir bis zum Tod an deiner Seite sind.« Und ging wieder.
Andere Schlüsselspieler des Teams reagierten auf ihre Weise. Xavi hatte das Gefühl, es sei nichts weiter zu sagen, man müsse nur das nächste Spiel gewinnen. Er sah, dass das Team »verdammt noch mal großartig spielte, wie die Engel«, aber bisher nur einen von sechs möglichen Punkten geholt hatte, und konnte es nicht glauben. Früher hatte er Tage erlebt, an denen ihm bewusst war, dass das Team jämmerlich gespielt, aber dennoch einen Sieg herausgeholt hatte. Das hier war genau das Gegenteil.
Er hatte die Reaktionen der Medien in ähnlichen Situationen erlebt. Nach einem Sieg lautete die Überschrift: »Bar Ç a ist ein Wunder« – ganz egal, wie die Leistung ausgefallen war. »Die Leute wollen Ergebnisse sehen, und anhand der Ergebnisse analysieren sie dann, ob du gut spielst oder nicht. Wenn du verlierst, liest du als Überschrift immer: ›Bar Ç a ist eine Katastrophe.‹«
Xavi, Henry, Valdés, Busquets, sie alle erkannten, dass Pep trotz der ruhigen Fassade nervös war. Er würde niemals einräumen, dass man ein Spiel auch ohne weitere Erklärung verlieren kann. Er muss für alles einen Grund finden. In dieser Hinsicht betrachtet er den Fußball unter einer wissenschaftlichen Perspektive und schätzt die Lehren, die man aus einer Niederlage ziehen kann: »Man wächst an Niederlagen, an den Fehlern, die man macht. Das sorgt dafür, dass man wachsam bleibt. Wenn du gewinnst, denkst du: ›Toll, wir haben gewonnen.‹ Und wir haben dabei mit Sicherheit einige Sachen falsch gemacht, aber du bist gelassen. Der einzige Nutzen eines Sieges liegt in guter Nachtruhe.«
Guardiola war völlig klar, dass zwei Jahre ohne Titel ein gewisses Gefühl der Dringlichkeit zur Folge hatten und dass Barcelona in der nächsten Woche durch eine Niederlage gegen Sporting Gijón ans Tabellenende abrutschen konnte. Er war jedoch überzeugt, dass sie schon bald die Ernte ihrer harten Trainingsarbeit einfahren würden. Neben der Kritik an den
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