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Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche

Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche

Titel: Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Vazquez Montalban
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Tourist, der sich auf dem Marktplatz von Marrakesch verlaufen hat. Das Mädchen ging weiter bis zum Ende des Chores. Sie tauchte sozusagen wie eine Schwimmerin ins Meer der Körper. Dann plauderte sie im Halbdunkel mit einem wirren Knäuel von Jugendlichen. Carvalho lehnte sich an eine Säule, um weniger aufzufallen. Er beobachtete mit einem Auge, was das Mädchen machte, und mit dem andern, was auf dem Hauptaltar geschah. Die Band war von Clowns abgelöst worden, die etwas erzählten, was keinen zum Lachen brachte. Jemand reichte ihm einen Joint. Carvalho nahm den rituellen Zug und reichte ihn weiter an den nächststehenden Nachbarn. Durch seinen eigenen Qualm sah er, wie sich das Schafsmädchen erhob und mit ihr zwei junge Männer. Einer von ihnen trug den Pelz eines Lamms, das der Zwilling von dem Pelz des Mädchens gewesen sein mußte. Der andere sah aus wie ein Pionier aus dem Wilden Westen, der seit etlichen Wochen keinen Claim gefunden hatte. Buffalo Bill und die beiden Schafe steuerten lustlos auf den Ausgang zu. Als sie eben hinausgehen wollten, riefen sie einander etwas zu, drückten sich mit einer angesichts ihrer üblichen Schlappheit unglaublichen Behendigkeit an die Wand und schauten auf die Straße hinaus. Ein Polizeiauto war vor dem
Paradiso
vorgefahren, und die Beamten schwärmten mit der Gewandtheit von Jägern auf dem Gehweg aus.
    Carvalho hatte praktisch nichts zu befürchten. Er ging auf die Straße hinaus und schaute von der untersten Stufe der Freitreppe zum Paradies der Jagd der Polizei zu. Sie hatten schon zwei Malayen festgenommen, und ein Polizist lief hinter einem Schwarzen her zum Leidseplein. Die Arier hatten also einen Freibrief, und obwohl Carvalho ein brauner Kelte war, würde sein Aussehen – von ganz verbissenen Greifern abgesehen – den Jagdinstinkt der Polizisten nicht wachrufen. Der Schwarze war nicht erwischt worden, und der Beamte kehrte außer Atem zurück. Sie schoben die beiden verhafteten Malayen ins Polizeiauto und fuhren ab in Richtung Sarphatastraat. Das Dreigestirn aus den Schafen und Buffalo Bill, ihrem Hirten, setzte sich wieder in Bewegung. Sie gingen an Carvalho vorbei und verschwanden im Dunkel links vom
Paradiso
. Carvalho sah voraus, daß sie zu einem der geparkten Autos gehen würden. Es blieb ihm also keine andere Wahl, als die Nummer ›Folgen Sie diesem Auto!‹ zu wiederholen. Glücklicherweise agierte das Trio mit nirwanahafter Bedächtigkeit. Carvalho saß bereits im Taxi, und wieder war seine Brieftasche um zehn Gulden leichter.
    Das Trio steuerte einen 2 CV, der in Schockfarben bemalt und mit pazifistischen Aufklebern bepflastert war. Das Auto fuhr durch die Vijzalstraat auf den Dam zu, dann den Damrak hinauf und bog schnell nach rechts in die Gäßchen ein, die ins Herz des Rotlichtviertels führen. Auf einem Massenparkplatz vor einer Gracht hielten sie an. Carvalho verließ sein Taxi und blieb untätig stehen, bis die drei sich in Bewegung setzten. Sie stießen ins Herz des ›Red Lights‹ vor. Fast alle Schaufenster der Hauptstraße waren beleuchtet, die Frauen posierten für die Passanten vor dem Hintergrund eines einladenden Schlafzimmers. Nur die Beleuchtung verlieh diesem friedlichen, fast ehefraulichen Warten etwas Außergewöhnliches. Spanner und Passanten betrachteten die Schaufenster ohne Aufdringlichkeit, denn die Frauen duldeten nicht, daß sie wie Äffchen angestarrt wurden. Einige waren auf die Straße hinausgetreten und standen im Hauseingang, wasserstoffblondiert, gestiefelt, miniberockt und mürrisch.
    Die drei Jugendlichen betraten eine Stehkneipe, Carvalho stellte sich neben sie an die Theke und bestellte sich ein Tartarbrötchen und ein Bier. Die Jugendlichen verschlangen hastig ihre Fertigpizza. Buffalo Bill blickte auf eine Taschenuhr, die er seiner Brieftasche eines Angestellten von ›Wells and Fargo‹ entnahm. Die Uhr zeigte an, daß keine Eile angesagt war, denn sie stützten sich mit der üblichen Gelassenheit auf ihre Ellbogen und plauderten, als wollten sie die ganze Nacht hier verbringen. Darauf bestellte sich Carvalho ein Vollkornsandwich mit kaltem Aufschnitt, Salat und harten Eiern. Ein weiteres Bier und eine kleine Plauderei mit der etwas häßlichen, aber molligen Bedienung, deren kastanienbraune Locken ebenso üppig waren wie ihre Schenkel, die in zu engen Stiefeln steckten. Er gab sich als durchreisender Franzose aus, nachdem er herausgefunden hatte, daß die Bedienung nur Holländisch oder Englisch verstand.

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