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Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche

Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche

Titel: Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Vazquez Montalban
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nahm es als Wink. Kayser begleitete ihn zur Tür, doch plötzlich schlug er sich die Hand vor die Stirn und winkte ihn beiseite, in einen Winkel des kleinen Korridors, der zum Ausgang führte.
    »Ich vergaß vollkommen, mich nach Ihrem Gesundheitszustand zu erkundigen. Israel erzählte mir von dem Zwischenfall. Wie Sie sehen, haben wir Ihnen keine peinlichen Fragen gestellt, aus Respekt vor der alten Freundschaft. Beim nächstenmal wird dies nicht mehr der Fall sein.« Kayser war immer noch die Freundlichkeit in Person.
    »Verstehen Sie das bitte«, fuhr er fort. »Sie hätten in der Gracht ertrinken können, und wir hätten große Schwierigkeiten gehabt, das unseren Vorgesetzten zu erklären.«
    »Ich bin als Tourist gekommen.«
    Sie gingen wieder zum Ausgang.
    »Wir alle sind nur Reisende, lieber Carvalho.«
    Er drückte Kayser und Israel die Hand, verließ das Polizeigebäude und freute sich. Er freute sich, wieder auf die Straße hinauszutreten und das letzte Tageslicht in Amsterdam auszukosten, um bestimmte malerische Winkel und Impressionen wiederzufinden, genau wie ein Tourist, der an einen Ort zurückkehrt, den er verstanden hat.
    Die nicht vorhandene Gesprächsbereitschaft seines Sitznachbarn und eine gewisse Ermüdung durch die vielen Ereignisse in den wenigen Tagen trugen zu einer nachdenklichen Rückreise bei. Sobald er im Flughafen von Barcelona den Fuß auf den Boden gesetzt hatte, folgten seine Aktionen einem genau durchdachten Plan. Es war eine ungünstige Zeit, um Charo anzurufen. Es war ihre Stoßzeit, und wenn sie mit einem Kunden beschäftigt war, legte sie für gewöhnlich den Hörer neben das Telefon. Er hatte Glück, Charo nahm den Hörer ab.
    »Ich bin ’s. Du mußt heute nacht zu mir nach Hause kommen, egal wann. Ich kann unmöglich zu dir kommen.«
    »Mir geht es miserabel.«
    »Ich warte auf dich. Ich habe dir etwas mitgebracht.«
    »Was denn?«
    »Komm, dann kriegst du ’s!«
    Er hatte sein Auto auf dem Flughafenparkplatz abgestellt. Obwohl er nur drei Tage weg gewesen war, hatte er das Gefühl, von einer langen Reise heimzukehren. Das Auto war das erste ihm nahestehende Wesen, das er wieder in Besitz nahm, und er war selbst überrascht, daß er für diese Maschine eine gewisse Zärtlichkeit empfand. Je länger er aber durch die Stadt fuhr, um zum Tibidabo zu gelangen, desto mehr schwand seine Fähigkeit zu Staunen und Wiedersehensfreude. Die Landschaft klebte ihm wieder am Körper wie ein vertrautes Kleidungsstück, das ihn in die altbekannten Koordinaten einfügte. Im Briefkasten fand er nur Prospekte. Er ließ sie dort liegen, damit sie weiterhin die feuchte Kühle der Nacht genießen konnten. Er verspürte das dringende Bedürfnis, es sich gemütlich zu machen und das Kaminfeuer zu entzünden. Dabei öffnete er das Fenster, damit die Feuchtigkeit der Julinacht die Hitze des brennenden Holzes ausglich. Wieder fand er kein Papier zum Anzünden. In der Tasche hatte er noch ein sauber gefaltetes Exemplar von
Suck
, aber so schnell wollte er es nicht opfern, nachdem er es gerade erfolgreich durch den Zoll geschmuggelt hatte. Lieber wollte er ein Buch verbrennen, und diesmal mußte mit tödlicher Sicherheit eine Ausgabe von
Don Quijote
in der Ausgabe von Sopena dran glauben. Es war ein Werk, gegen das er einen alten Groll hegte. Er freute sich schon darauf, es zu opfern, und das einzige, worum es ihm kurz leid tat, waren die Illustrationen zu den Abenteuern dieses Idioten.
    Mit hochgekrempelten Ärmeln errichtete er eine verzwickte Konstruktion aus Holzscheiten und Reisig, darunter schob er den
Quijote
mit aufgeschlagenen Seiten und zündete ihn an. Die Szene erinnerte ihn an ein altes Märchen von Andersen, bei dem der Leser die aufregende Entwicklung einer Leinpflanze miterlebt, wie sie keimt und wächst, bis sie sich in ein Buch verwandelt und schließlich in einem lustigen weihnächtlichen Kaminfeuer den Tod findet. Er hatte noch über dreitausendfünfhundert Bücher in seinen Regalen, die die Atmosphäre des Hauses belasteten wie Gitterstäbe. Er konnte also in den nächsten zehn Jahren etwa dreitausendfünfhundert Feuer entzünden.
    Er nahm die chinesische Jacke für Charo aus dem Koffer und legte sie auf einen Sessel. Im Kühlschrank fanden sich noch Stockfisch und ein paar Dosen mit Erbsen, Paprika, Tomaten und Pökelrippchen. Daraus konnte er einen herrlichen Stockfischreis zubereiten, ein Gericht, das Charo sehr liebte. In einem Plastikbehälter fand er noch ein

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