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Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche

Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche

Titel: Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Vazquez Montalban
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sagt, was sie tut. La Gorda auch, und Señor Ramón. Weiß man hier im Viertel, wie sich Ramón und seine Frau miteinander verstehen?«
    »Also, von denen spricht man nicht soviel. Ziemlich merkwürdig. Sie sagen, er sei etwas Besseres. Er soll aus einer sehr guten Familie stammen und verheiratet gewesen sein, und dann hat er anscheinend alles hinter sich gelassen wegen Queta, als er schon älter war. Aber man hört nichts darüber, ob sie sich miteinander verstehen oder nicht.«
    »La Andaluza muß mir alles erzählen, was sie sieht. Sie soll keine Fragen stellen, nur die Augen offenhalten und mir dann alles erzählen. Doch! Sie soll sich nach den Arbeitszeiten und den Adressen der Mädchen erkundigen.«
    Die Hauswartsfrau sagte, Señorita Marsé werde nicht vor sechs Uhr abends nach Hause kommen. Dann sei sie aber bestimmt anzutreffen, denn um diese Zeit komme der Junge aus der Ganztagsschule, er werde mit dem Bus gebracht, und sie sei immer da, um ihn abzuholen, zu baden, Abendbrot zu machen und so weiter. Der Junge, fügte die Hauswartsfrau aus eigenem Antrieb noch hinzu, um Carvalho die Orientierung zu erleichtern, verbringe die Wochenenden bei seinem Vater und dessen Eltern. Aber die übrigen fünf Tage sei er bei der Mutter. Nun gut, wenn es sehr dringend sei, wenn er unbedingt so schnell wie möglich die Señorita sprechen müsse – sie sei wahrscheinlich in ihrem Geschäft, einer Boutique in der Calle Ganduxer. Also einen Häuserblock weiter oben. Die Boutique, fuhr die Hauswartsfrau fort, um Carvalho Orientierungsprobleme zu ersparen, die Boutique habe sie schon gehabt, als sie noch mit ihrem Mann zusammenlebte. Die Familie des Mannes sei sehr vermögend, ihre auch, aber weniger.
    Carvalho brauchte die Frau nicht mehr. Er wimmelte sie mit einer gewissen Unfreundlichkeit ab.
    »Kommen Sie eigentlich vom Jugendamt? Sie ist eine großartige Mutter, glauben Sie mir! Der Junge hat alles, was er braucht. Er hält zu ihr!«
    »Nein, ich bin nicht vom Jugendamt.«
    Die Boutique nannte sich
Trip
. Sie war in einer wirkungsvollen Mischung aus modernen marokkanischen und nepalesischen Elementen dekoriert, mit der man ein derartiges Geschäft in jeder Straße von Straßburg hätte eröffnen können. In einer Straße von Barcelona wie dieser, einer Insel der Gepflegtheit, großzügig bebaut und mit Gartenanlagen, die der Bodenspekulation entgangen waren, erfüllte
Trip
seine Aufgabe, einen unbestimmten Prozentsatz der weiblichen Bourgeoisie des Viertels einzukleiden und ihnen zu ermöglichen, vorübergehend in eine andere Haut zu schlüpfen, den Käfig der Seele anders zu dekorieren, den geraden Weg des Funktionalismus, den sich die Bourgeoisie endgültig zu eigen gemacht hatte, zu verlassen und Farben und Stoffe zu verwenden, die denen der echten Inder glichen. Auf alle Fälle war die Bourgeoisie dank
Trip
kleidungsmäßig auf der Höhe der Bourgeoisie von Straßburg und nur knapp unterhalb des Niveaus von Paris, London oder San Francisco.
    Teresa Marsé trug ein Kleid aus ihrer Kollektion. Was in ihrem Gesicht wie Masern aussah, war in Wirklichkeit ein sorgfältig angelegtes Raster künstlicher Sommersprossen. Über ihrem blauäugigen Puppengesicht brannte auf kleiner Flamme die unvermeidliche blonde Angela-Davis-Perücke, und die zu vermutenden Kurven ihres Körpers waren unter einem wallenden Gewand aus bläulicher Dritte-Welt-Kunstseide verborgen, die mit Stickereien ›made in Marrakesch‹ besetzt war. Sie besaß dieses ›Savoir-faire‹ einer Geisha, mit dem junge emanzipierte bürgerliche Frauen es verstanden, die voreheliche Begeisterung für Boutiquen in den Trost für ihr unerfülltes Leben umzumünzen. Die barbarische Sitte unserer Vorväter, einem entehrten Mädchen einen Kiosk zu kaufen, erfuhr eine leichte Abwandlung in dem neuen Brauch, unglücklich verheirateten Frauen mit metaphysischen Ängsten eine Boutique einzurichten. Carvalho erkannte, daß hinter dieser Geisha im wallenden Gewand eine Frau mit wenigen Schnörkeln steckte, und machte keine Umschweife.
    »Ich bin auf der Suche nach Julio Chesma. Eine gemeinsame Bekannte aus Amsterdam gab mir Ihre Adresse.«
    Das Puppenhafte verschwand aus Teresas Gesicht. Es drückte große Besorgnis und Unsicherheit aus. Wo Julio sei? Er habe seit etwa zwei Wochen nichts von sich hören lassen. Er sei schon öfter tagelang weg gewesen, habe aber zwischendurch immer wieder angerufen.
    »Ich weiß weniger als Sie. Ich suche ihn, weil ich eine dringende

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