Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche
nicht geschadet. Aber die Bronchitis, kommt die vielleicht von der Schuhcreme? Und mein Magengeschwür? Nein, es ist die Luft! Riechen Sie es nicht? Das ist der Smog!«
Nach dieser Schlußfolgerung blickte Bromuro bedeutungsvoll in die Runde und machte seinen Kunden damit klar, daß hier, in zwanzig Metern Umkreis, finstere Mächte daran arbeiteten, das zarteste Gewebe seines Körpers zu ruinieren.
»Putzen?«
Carvalho nickte. Die Stimme des Schuhputzers schien direkt aus dem schuppigen, kahlen Schädel zu kommen. »Hast du noch mal fünfhundert Pesetas für mich?«
»Was bietest du mir dafür?«
»Nichts. Es ist nur, weil du in letzter Zeit so spendabel bist!«
»Weißt du wirklich nichts?«
»Nichts. Es gibt keinen mehr, den man fragen kann. Wer nicht hinter Gittern sitzt, ist weggefahren. Es sieht so aus, als hätten einige kalte Füße bekommen. Diesmal haben sie auch die Großen gepackt. Den dicken Fischen passiert nichts, aber sie halten ganz still, wie sonst nur auf den Fotos. Das einzige, was ich dir sagen kann, ist, daß der Ertrunkene eine lange, dicke Akte hatte, und das war der Grund für alles andere. La Pomadas gehörte auch dazu. Sie hat ein Päckchen gekriegt, an dem sie einige Jährchen zu tragen hat. Der Tote hat keinen Pieps gesagt. Dafür hat die Pomadas wie ein ganzes Buch geredet.«
»Was für ein Typ ist die Pomadas?«
»Eine Blondine, dick, aber nicht wabbelig. Jung, saftige Arschbacken. Spielte die Französin. Du hast sie sicher am Bordstein auf den Ramblas gesehen, bei der Calle Fernando. Später hat sie sich verbessert und ging in die Carretera de Sarriá. In letzter Zeit hatte sie abgenommen. Die Kunden dort mögen es lieber schlank, so wie Filmstars. Kennst du die Bohnenstange aus dem Film
Zwei Männer und ein Schicksal
? Gefällt sie dir?«
Von Carvalhos Antwort hing Bromuros Weltbild ab.
»Nicht schlecht.«
»Aber die hat doch hinten nichts und vorne nichts! Als der Typ die Pistole zieht und befiehlt, sie soll sich nackt ausziehen, hab’ ich gedacht, du blöder Hund, mit so einer Kanone könntest du eine kriegen, an der mehr dran ist. So ein Idiot. Ich will damit nicht sagen, daß ich mich vor ihr ekeln würde. Es gibt keine Frau, keine einzige, die nicht verdient, daß man ihr einen Gefallen tut. Das ist ja das Schlimme! Es gibt so viele Frauen, und wir haben so wenig für ihr Vergnügen!«
»Fang bloß damit nicht wieder an!«
»Mit irgendeiner Philosophie muß man leben. Und das ist meine.«
Der Schuhputzer erhob sich, und Pepe war überrascht über seine Gestalt, die man sonst nie zu Gesicht bekam. Hoch aufgerichtet, als hörte er den Trommelwirbel, der seinen Auftritt ankündigte, rief Bromuro: »Die Philosophie des Dreiecks der lebenswichtigen Dinge in Reichweite einer Hand!«
Darauf legte er seinen linken Daumen an den Rand der rechten Hosentasche, den kleinen Finger auf den Hosenschlitz und vervollständigte dann das Dreieck, indem er den Daumen zum Bauchnabel führte.
»Geld, Ficken und Essen.«
Er nahm seinen Kasten, steckte die 25 Pesetas von Carvalho ein und trat so würdevoll ab wie Don José Ortega y Gasset nach einem Vortrag. Carvalho erhob sich kurz darauf. Eine frische Brise kam vom Meer, und die Ramblas erreichte der Geruch des öligen Meerwassers von der Puerta de la Paz. Kolumbus auf dem Briefbeschwerer seines Denkmals zeigte unerschütterlich auf die Sonne im Zenit, eine Geste, die eher eine Herausforderung an die Sonne darstellte, als die Route nach Amerika anzeigte. Carvalho zog die Jacke aus und klemmte sie sich unter den Arm. Er ging zum Salon Queta. Es war keine Kundschaft da, aber die Tür stand offen. Seine Schritte auf dem grünen Linoleum riefen die Frage hervor, die von oben aus der Kammer kam:
»Wer ist da?«
»Ich bin’s, Carvalho.«
Es war die Stimme von La Gorda. Ohne ihnen Zeit zu lassen, daß sie ihm Anweisungen geben konnten, nahm er mit zwei Sätzen die Treppe und platzte in das kleine Büro hinein. Die Papiere waren vom Tisch verschwunden, und eine Decke aus Plastik verbarg seine schäbige Oberfläche. Queta, La Gorda und Don Ramón aßen Russische Eier und panierte Fischfilets. Die Frauen hatten den Kopf über den Teller gebeugt, wie um die unzweifelhafte Intimität des Aktes zu wahren. Señor Ramón war aufgestanden, legte sorgfältig seine Serviette auf den Tisch und sagte: »Essen Sie mit uns!«
»Nein danke. Bitte entschuldigen Sie die Störung!«
»Keine Ursache. Kommen Sie!«
Queta sah Carvalho mißtrauisch an. La
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