Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche
Gorda hatte den Mund schon voll und stopfte noch einen gefährlich überladenen Löffel Eiersalat dazu. Señor Ramón ging gemächlich zur Treppe und winkte Carvalho, ihm zu folgen. Unten im Salon setzte er sich in einen der mechanische Drehstühle. Carvalho tat es ihm nach.
»Seit wann sind Sie zurück?«
»Seit gestern nacht.«
»Ist alles gut gegangen?«
Carvalho deutete auf die Verletzung am Auge. »Normal.« Señor Ramón sah sich die Verletzung nicht genau an. Er nahm sie zur Kenntnis und wartete auf Carvalhos Enthüllungen.
»Die Leiche hat einen Namen. Er hieß Julio Chesma und war ein Rauschgifthändler.«
»Hatte er hier Verbindungen?«
»Ja.«
»Wissen Sie, welche?«
»Sie wollten, daß ich den Namen des Toten herausfinde, sonst nichts.«
»Ja, das stimmt. Meine Frau hat einen Verwandten mit einer Neigung zum Abenteuer. Eine echte Belastung. Und sie wußte, daß er eine ausgefallene Tätowierung trug, nur erinnerte sie sich nicht genau an den Wortlaut. Aber sie war anders als das Übliche. Seit sie neulich den Zeitungsartikel las, ist sie sehr beunruhigt, und deshalb versuchte ich herauszufinden, wer es war. Sie wird sehr erleichtert sein, denn es ist nicht der Name ihres Verwandten.«
»Wir könnten es ihr gleich sagen.«
»Lassen Sie mich das machen! Ich bringe es ihr schonend bei. Sie wissen doch, wie die Frauen sind, beim geringsten Anlaß werden sie hysterisch. Jetzt kann sie wieder ruhig schlafen. Wie sagten Sie, Julio Chesma? Drogen? Ja, ich hab ’s geahnt. Ich wußte, daß die Razzia in den Tagen nach der Entdeckung der Leiche etwas zu bedeuten hatte. Alles klar. Haben Sie etwas über die näheren Umstände herausgefunden? Kontakte des Individuums, beispielsweise?«
»Ein paar Kontakte, ja.«
»In Holland?«
»Und hier.«
»Mit wem?«
»Ich glaube nicht, daß das für Sie von Interesse ist. Sie wollten Ihre Frau beruhigen, und jetzt wissen Sie alles, was Sie dazu brauchen.«
»Ich bin neugierig. Schließlich und endlich habe ich Ihnen die Nachforschungen bezahlt.«
»Wenn Sie wissen wollen, ob ich beispielsweise eine Beziehung zwischen Julio Chesma und Ihnen entdeckt habe, dann können Sie beruhigt sein. Ich habe keine entdeckt. Er bewegte sich in ganz anderen Kreisen. Die Polizei hat das mit den Drogen herausgefunden, und ich bin zu demselben Ergebnis gekommen, außerdem bin ich auf gewisse gefühlsmäßige Beziehungen des Individuums gestoßen. Im Moment tauchen Sie nirgends auf.«
»Warum sollte ich auftauchen? Ich habe diesen Menschen nie kennengelernt. Das war alles nur ein Mißverständnis. Ich bezahle Ihnen siebzigtausend Pesetas, die fehlenden fünfzigtausend plus Spesen.«
»In Ordnung.«
Señor Ramón ging nach oben in sein Büro. Carvalho näherte sich der Treppe, um zu lauschen. Auf der dritten Stufe saß La Gorda und schälte einen Pfirsich. Die Schale baumelte wie eine Schlange an einem Stück herunter zu dem Teller auf der Stufe zwischen den Beinen des Mädchens, das kein Mädchen mehr war. La Gorda grinste, als Pepe den Kopf vorreckte. Aber er zog ihn nicht zurück. Sie musterte ihn abschätzig. Pepe starrte genau zwischen ihre Schenkel, bis er das bläuliche Dreieck ihres Höschens entdeckte. Hastig preßte sie die Schenkel zusammen, und der Teller fiel die Stufen hinab. Pepe zog sich zufrieden zurück. Das Mädchen schimpfte mit hochrotem Kopf, als sie auf dem Fußboden umherkroch und die Reste ihres Pfirsichs und ihres Tellers einsammelte. Señor Ramón stieg über die Scherben hinweg und übergab Carvalho einen weißen Umschlag. Pepe steckte ihn in die Innentasche seines Jacketts und knöpfte sie zu. Dann ging er wortlos, aber an der Tür wandte er sich noch einmal um. Señor Ramón und La Gorda sahen ihm nach, beide mit dem gleichen harten, trotz seiner Beherrschtheit stechenden Blick.
»Es wundert mich immer noch, daß Sie mir soviel Geld bezahlen, um etwas herauszufinden, das Sie auch fünfzig Meter weiter im Distriktkommissariat erfahren hätten.«
»Ich habe Sie nicht dafür bezahlt, daß Sie sich wundern. Was ich wissen wollte, habe ich erfahren. Also,
adiós
und gute Nacht.«
»Ich meinerseits kann das nicht behaupten. Ich möchte noch viel mehr erfahren, als ich schon weiß.«
Um sechs Uhr abends rief er sie an, und um acht Uhr hatte sich Teresa wie eine junge und reiche Witwe gekleidet, die sich zur Linken zählt und den Sommer in der Stadt verbringt. Sie trug eine weitere bezaubernde Djellaba, die sie irgendwo gekauft hatte, wo, spielte keine
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