Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche

Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche

Titel: Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Vazquez Montalban
Vom Netzwerk:
großen Nachthemds mit dem Fensterchen zu überwinden oder gar den Exzeß zu wagen, einen obszönen Witz zu inszenieren. Das Bild zeigte den biblischen Wendepunkt der Rebellion Luzifers. Der gefallene Engel erschien hochmütig, aber besiegt in der unteren Ecke des Bildes, wo er sich eben anschickte, unter dem kategorischen Imperativ des Schwertes von Erzengel Michael ein paar mysteriöse Treppenstufen hinabzusteigen.
    »Ich bin geboren, das Inferno aus den Angeln zu heben«, murmelte Carvalho in dem Moment, als von Teresas ganzer Hautoberfläche eine Strahlung von Wärme und Berührung ausging, und sich eine Hand wie eine frierende Taube unter den Stoff seines Hemdes schob.
    »Wir müssen zurück. Du mußt den Jungen abholen.«
    »Heute geht er zu seinem Vater. Omi hat Geburtstag, und er ist zum Lunch eingeladen.«
    Das Wort ›Omi‹ sagte sie mit ironischem Unterton. Carvalho hatte sich an Theresas Seite mit einem gelblichen Laken bedeckt. Von hier aus konnte er nur den seidenen Bauch über dem Bett sehen oder das Bild von Luzifer, das von den beiden Säulen am Fußende des Bettes exakt eingefaßt wurde.
    »Hat Julio viele Stunden in diesem Bett verbracht?«
    »Eine ganze Anzahl. Warum?«
    »Schau mal.«
    Teresa richtete sich halb auf, um das Bild genau zu betrachten.
    »Ich wußte gar nicht mehr, daß dieses Bild hier hängt.«
    Sie legte sich wieder hin, rückte aber etwas ab von Carvalhos Körper.
    »Sprichst du in den Betten immer über die, die vor dir darin lagen?«
    »Wir haben sonst nicht so viele gemeinsame Gesprächsthemen.«
    »Wenn es das ist, dann frag mich. Ich liege vor dir wie ein offenes Buch!«
    »Hat er dir erzählt, wie er zu der Tätowierung kam?«
    »Als ich sie entdeckte, fing ich an zu lachen wie eine Verrückte. Ich bat ihn, sie entfernen zu lassen. Aber er wollte nicht.«
    »Ihr habt euch nach seiner Rückkehr aus Holland kennengelernt, vor zwei Jahren. Wie lange dauerte eure Beziehung?«
    »Nicht lange, vier oder fünf Monate. Wir trafen uns aber weiterhin ab und zu, bis vor ein paar Monaten.«
    »Wollte er den Hausschlüssel oft haben?«
    »Anfangs ja, dann sagte ich ihm, er sollte sich einen Nachschlüssel machen lassen, um meine Ruhe zu haben.«
    »Seid ihr euch hier nie in die Quere gekommen?«
    »Doch, ein einziges Mal. Ich wollte es dir neulich nachts nicht erzählen, weil du mich so erschreckt hattest. Es ist sieben oder acht Monate her. Ich glaube, es war im Januar. Ich kam mit einem Verwandten des Schahs von Persien hierher. Ja, du hast ganz richtig gehört. Ein Neffe dritten Grades des Schahs, mit dem ich geschäftlich zu tun hatte, weil er eine Boutique mit Hippieschmuck betreibt. Ich hatte gleich bemerkt, daß jemand da war, weil das Gartentor nicht abgeschlossen war. Aber das Haus hat viele Zimmer. Ich beriet mich also mit Seiner Kaiserlichen Hoheit, und er zeigte sich zunächst etwas lustlos. Aber dann war er einverstanden. Wir gingen ins Haus und nahmen ein Zimmer am anderen Ende dieses Stockwerks. Weil ich vor Neugier beinahe umkam, kam ich hierher und öffnete vorsichtig die Tür. Julio lag in diesem Bett und schlief anscheinend. Neben ihm lag eine Frau, die schon etwas älter war. Na ja, alt war sie auch nicht, etwa vierzig. Sie schlief nicht, sondern sie schien vom Bett aus zur Balkontür zu schauen. Die stand ein wenig offen, und sie schaute hinaus.«
    »Hat Julio nie von dieser Frau erzählt?«
    »Nein.«
    »Beschreib sie mir!«
    »Ein Laken, und am Ende dieses Lakens ein braunes Gesicht, in dem alles groß war, Augen, Mund und so weiter. Sie schien ziemlich viel Fleisch unter dem Laken zu haben.«
    Der reife Körper von Queta paßte besser in diesen Rahmen als die durchtrainierte Wenigkeit von Teresa. Was sich Carvalho nicht vorstellen konnte, waren die Gefühle einer Friseurin aus dem V. Distrikt in diesem Heiligtum, das für die Ruhe einer unbekannten sozialen Klasse bestimmt war. Carvalho erinnerte sich an die vierziger Jahre, sie lagen plötzlich offen vor ihm, wie das Wunder der Plaza de Padró, die eines Tages infolge des Zusammentreffens verschiedener Straßen des V. Distrikts entstanden war. Er erinnerte sich an die Lieder, die man damals in den Innenhöfen hörte, neben dem Summen der Nähmaschinen oder dem Klappern der Teller beim Abwasch. Auch jenes Lied fiel ihm wieder ein, das vor allem Frauen in dem Alter, das Queta jetzt haben mußte, immer wieder gesungen hatten:
    Er kam in einem Schiff mit fremdländischem Namen
    und ich traf ihn am Abend im

Weitere Kostenlose Bücher