Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche
Hafen
…
Es war die Romanze mit einem Fremden, ›groß und blond wie das Bier, die Brust tätowiert mit einem Herzen‹. Julio hatte mit Queta zum erstenmal eine psychologisch unterlegene Frau kennengelernt, die ihm weder Bildung noch neue Erlebnisse brachte, sondern einfach Kommunikation, Solidarität und auch die persönliche Bereicherung brauchte, die er ihr geben konnte, ebenso wie das Mysterium von Jugend und Ferne, das bei Señor Ramón längst tot und begraben war. Für diese Frau hatte die Tätowierung einen Sinn, es war das Motto seines Lebens, die Krönung der Vertraulichkeiten in diesem Bett mit Baldachin, das beiden fremd war. Hier in diesem Bett hatte der lange Marsch von der Armut zum Nichts den Mann wohl bereitgemacht, die Wut und die Idee seines Lebens mit einem Bild und mit Worten zu besänftigen:
Ich bin geboren, das Inferno aus den Angeln zu heben
. Eine Losung, die weder für die reife Dame in Amsterdam, den Engel der Autodidakten, tätowiert wurde, noch für den Specht Teresa Marsé, der an Bäumen aller Art pickte, und ebensowenig für La Pomadas oder andere Mietmatratzen. Carvalho spürte plötzlich den Wunsch, die Szene zu streichen, in der er gerade mitspielte, aus dem Bett zu springen und mit dem Torerodegen in der Faust dem Fall den Genickstoß zu geben.
Er richtete sich in Fluchtgeschwindigkeit auf.
»War das alles, ist der Abend für dich schon gelaufen?«
»Ja.«
»Kaufst du immer nur einfache Fahrt?«
»Kommt drauf an, mit wem ich reise.«
»Vielen Dank.«
Als er den Spott in Teresas grauen Augen sah, wollte Carvalho doch bleiben und noch einmal seine Funktion erfüllen, um einen guten Eindruck zu hinterlassen. Aber er entdeckte plötzlich ein radikales Desinteresse an der so schlanken Frau, die dieses Erlebnis wahrscheinlich weitererzählen würde, ihrem Ehemann oder dem Schwarm ihrer Piranhafreunde in irgendeiner Cafeteria der Calle Tuset.
»Ich hatte meinen Zeitplan auf deinen abgestimmt. Ich dachte, du müßtest wie immer gehen und deinen Sohn abholen, und habe mich verabredet.«
Sie schien einverstanden. Sie zog sich an mit dem Rükken zu ihm. Aus dieser Position sprach sie auch mit ihm.
»Du bist bei der Polizei, stimmt’s?«
»Warum?«
»Ich merkte von Anfang an, daß du wie ein Polizist fragst.«
»Nein, nein, ich bin nicht bei der Polizei!«
»Woher dann dieses Interesse an Julio?«
»Ein besonderer Auftrag. Ich bin Privatdetektiv.«
Teresa brach in Gelächter aus. Das Lachen schüttelte sie so sehr, daß sie sich halb angezogen auf dem Bett wälzte. Als der Anfall vorüber war, mußte sie sich die Tränen aus dem Gesicht wischen.
»Mit wem war ich denn jetzt im Bett, mit Hercule Poirot, Kommissar Maigret oder Philip Marlowe?«
»Wenn es dir besser gefällt, dann sag ruhig mit Lemmy Caution oder James Bond.«
»James Bond gefällt mir nicht.«
»Also, dann mit wem du willst. Ich habe dir die Erfahrung deines Lebens verschafft.«
»Das mit dem Schahneffen war aufregender, das schwör’ ich dir. Der hatte keine Termine ausgemacht. Ein echter Caballero, einer von der Sorte, an die man noch lange denkt.«
»Dafür hast du doch einen Ehemann.«
Das Wiederabschließen des Hauses, die Rückkehr zum Auto und die Rückfahrt in die Stadt verliefen schweigend. Teresa stellte nicht einmal das Radio an. Als Carvalho vor ihrer Boutique anhielt, sagte er zu ihr:
»Du mußt dir ein Alibi für die erste Julihälfte ausdenken. Du mußt sagen können, was du in jedem einzelnen Moment getan hast. Ein vernünftiges und unkompliziertes Alibi.«
»Warum?«
»Es ist sehr wahrscheinlich, daß Julio in dieser Zeit ermordet wurde, in deinem Haus in Caldetas oder vielmehr im Zusammenhang mit einem Rendezvous in deinem Haus. Die Polizei kann jeden Moment davon Wind bekommen.«
»Eine Drogengeschichte?«
»Das dachte ich auch. Aber jetzt glaube ich nicht mehr daran. Besorg dir ein Alibi!«
Teresa sah ihn an, als wollte sie mögliche Hintergedanken erraten.
»Soll ich dir etwa dankbar sein?«
»Nicht mal das. Aber nimm es ernst, und wenn die Polizei dich verhört, sag nichts, auch nicht meinen Namen!«
Teresa stieg aus. Vor der Tür der Boutique warf sie ihm einen letzten zweifelnden Blick zu.
Charo beschränkte sich auf den Kommentar: »Eigentlich habe ich überhaupt keine Zeit.«
»Ich bin sofort wieder weg.«
»Tagelang meldest du dich nicht, und dann tauchst du zur unmöglichsten Zeit auf.«
»Ist La Andaluza da?«
»Nein.«
»Was macht ihre Frisur?«
»Was
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