Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche
soll sie schon machen?«
»Ich zahle ihr den Friseur und lade euch beide in den nächsten Tagen zum Abendessen ein, wenn sie sich dort noch einmal frisieren läßt.«
»Sie war aber erst vor zwei Tagen da!«
»Dann soll sie ihre Frisur durcheinanderbringen.«
Carvalho schrieb etwas auf einen Zettel und steckte ihn in einen kleinen Umschlag.
»Hier. Gib ihr das. Morgen soll sie zum Friseursalon gehen und das Queta zustecken, aber so, daß keiner etwas merkt.«
»Und jetzt?
Adiós
?«
»Jetzt ist deine Hauptgeschäftszeit. Ich glaube nicht, daß es gut wäre, wenn deine Kunden mich hier sehen.«
»Meine Kunden und du, ihr könnt mich alle mal!«
Sie rauschte aus dem Wohnzimmer und lief in die Küche, verfolgt vom Knall der zugeschlagenen Tür. Carvalho hörte sie schimpfen, als stritte sie mit sich selbst.
»Männer sind Schweine! Blöde Kuh! Idiotin! So blöd kann auch nur ich sein!«
An ein und demselben Tag zwei Frauen zu enttäuschen, das war zuviel. Carvalho verließ die Wohnung und erwartete auf dem Treppenabsatz die unvermeidliche Versöhnungsrückkehr von Charo. Ihr Gesicht war tränenfeucht und ihre Stimme kläglich, als sie die Tür öffnete und den Kopf herausstreckte.
»Du gehst einfach so?«
»Du hast heute einen von den guten Tagen.«
»Kein Grund, sich auf französisch zu verabschieden.«
»Morgen gibt es viel Arbeit. Sieh zu, daß du dir die Nacht freihältst. Dann gehen wir aus.«
»Holst du mich ab?«
»Also gut, um neun.«
Er trat auf die Ramblas hinaus und ging zum Hafen hinunter. Auf der Höhe der Santa-Monica-Kirche verließ er den Mittelstreifen, überquerte die rechte Fahrbahn und bog in die Gasse ein, die links an der Kirche entlanggeht. Er betrat die Bar
El Pastís
und bestellte Absinth. Die Wirtin hatte ein visuelles Gedächtnis wie ein Elefant.
»Lange her, daß du das letzte Mal hier warst.«
Carvalho lächelte ihr zu in dem Versuch, eine flüchtige Vision des Fatalismus zu übermitteln, die unsere Begegnungen und unsere Abwesenheiten bestimmt.
»Aber sie kommen alle wieder. Sieh dir die dort an!«
Eine Gruppe junger Männer trank mit Anis gefärbtes Wasser, mit geröteten Wangen und dem Salto mortale auf der Zungenspitze. Einer von ihnen schlug vor, die Internationale zu singen, ein anderer improvisierte einen Vortrag zur Feier von dreiunddreißig Jahren Frieden.
»In ein paar Jahren kommen die wieder. Wenn sie gestandene Männer sind, wie dieser Caballero hier. Er ist eine Eminenz!«
Damit zeigte die Wirtin auf einen Mittdreißiger, der schon nicht mehr geradeaus schauen konnte und seinen schweren Körper mit beiden Ellbogen auf dem Tresen abstützte. Er richtete sich herausfordernd und angeberisch auf, um Carvalho zu beeindrucken.
»Sehen Sie, ich kannte ihn schon, als er studierte, und jetzt ist er eine Eminenz.«
»Meinen Glückwunsch.«
Die Eminenz belauerte ihn mit trübem Blick und gespanntem Hahn für den Fall, daß Carvalho es wagen sollte, auch nur die leiseste Andeutung von Skepsis zu zeigen.
»Er hat einen Lehrstuhl an der Universität.«
Der Betrunkene sah aus wie ein heruntergekommener Bourbonenprinz, groß und mit Gesichtszügen, die nach dem klassizistischen Schönheitsideal als ebenmäßig zu bezeichnen wären. Der eminente Prinz überschüttete Carvalho mit einem Wortschwall in einer Sprache, die wie Arabisch klang. Die Wirtin nickte begeistert und zeigte auf ihren Schützling, als wollte sie ihm Carvalho ans Herz legen.
»Ist er Professor für Arabisch?«
»Nein, für Spanische Geschichte. Aber kann man die Geschichte Spaniens verstehen, ohne Arabisch zu sprechen?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Menéndez Pidal hat ein völlig falsches Bild gezeichnet. Wissen Sie überhaupt, wer das war?«
»Kommt mir bekannt vor.«
»Er hat
EI Cid
geschrieben. Ein antiarabischer Rassist! Trinken Sie einen Pastis. Ich gebe einen aus.«
Der eminente Prinz begann, eine arabische Litanei zu singen, die sich langsam zu einem Fandango entwickelte. Er hatte die Rockschöße seines Jacketts hochgeschlagen und schlang sie eng um den Körper, so daß das Jackett zur Weste eines Fandangotänzers wurde. Er blickte auf seine Füße und begann langsam und unsicher zu steppen. Carvalho bezahlte seinen Pastis und wollte gehen. Doch der tanzende Professor packte ihn an der Schulter.
»Warum haben Sie bezahlt? Ich gebe einen aus!«
»Ich bezahle immer, was ich trinke.«
»Nicht, wenn ich einen ausgebe!«
Mit dem Arm fegte der Professor das Geld vom Tresen, das
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