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Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche

Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche

Titel: Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Vazquez Montalban
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blonde Angela-Davis-Perücke abnahm. Ihr eigenes Haar war kastanienbraun. Sie brachte die zerdrückte Frisur mit zwei, drei kundigen Bürstenstrichen wieder in Form. Dann wandte sie sich Carvalho zu und war zu jedem Abenteuer bereit. Ohne die entstellende Perücke gewann Teresa die unbezweifelbare Identität einer Großbürgerstochter zurück, mit wohlgeformten Gesichtszügen, denen man die gute Ernährung und regelmäßige Pflege ansah und die eine Freiheit des Ausdrucks besaßen, die Heiterkeit eines Akrobaten, der mit Netz arbeitet. Charo arbeitete ohne Netz, seit sie geboren war, und auf ihrem Gesicht erkannte Carvalho bisweilen den Ausdruck einer Kanaille, die sich verteidigt, indem sie tötet, oder die Angst eines Menschen, der fürchtet abzustürzen. Das proletarische Gesicht besitzt dieselben Ausdrucksmöglichkeiten wie die Karyatiden: Es kann entweder lachen oder weinen. Das Gesicht der Marsé besaß die logische Gefälligkeit jeder Materie, die sich zu jeder Zeit und an jedem Ort anerkannt weiß.
    Mit einer Hand trug Teresa ihre geflochtene Badetasche, mit der anderen zog sie Carvalho vorwärts. Schnell war beschlossen, daß sie mit Pepes Auto fahren würden.
    »An welchen Strand fahren wir? In Castelldefels oder Garraf geht immer so ein unangenehmer Wind.«
    »Dann laß uns nach Norden fahren. Was hältst du von Caldetas?«
    Der Vorschlag war von Teresa gekommen, ohne daß Pepe sie überreden mußte. Während der Fahrt schwiegen sie gezwungenermaßen, denn Teresa lauschte mit hingebungsvoller Aufmerksamkeit der Musik, die aus dem Radio oder dem Kassettenrecorder kam. Wenn die Musik ihr gefiel, legte sie sich im Sitz zurück, schloß die Augen und verschränkte die Hände im Nacken. In diesen Momenten erfreute sich Carvalhos Blick verstohlen an den wenigen Rundungen ihres Körpers, die sich unverhofft unter dem Kleid abzeichneten. Teresas Reiz bestand jedoch in ihrem Verhalten und einer Erziehung für die Liebe, die aus der Natürlichkeit sprach, mit der sie Theater spielte. Sie besaß ein Gespür für die Bühne, das sich ohne Zweifel jeder Situation anpassen konnte.
    »Wir sind da.«
    Teresa schien zu erwachen. Ohne Zögern streifte sie ihr Kleid über den Kopf und saß im Bikini neben Carvalho. Er musterte ihren Körper methodisch und prüfend. Auf dem zweiten Rückweg von unten nach oben trafen sich ihre Blicke. Sie lächelte.
    »
Pas mal?
«
    »
Pas mal

    Lachend nahm sie Carvalhos Arm und legte für den Bruchteil einer Sekunde ihre Wange an seine Schulter. Sie fuhren ins Zentrum von Caldetas. Der Anblick der großen Villen, die so eng mit der Geschichte des ganzen katalanischen Modernisme in Verbindung stehen, vermittelte das Gefühl, in eine Ortschaft zu gelangen, die eher zu musealen Genüssen als zum Besuch eines Strandbades einlädt. Die großen, meist dunklen und verwitterten Gebäude im Liberty-Style ließen den Neuankömmling erwarten, am Strand eine Badeszenerie der Belle Époque vorzufinden, Passanten mit Sonnenschirmchen oder Westen, von zeremonieller Höflichkeit und mit Bemerkungen auf dem Niveau von:
    »Was für ein schöner Morgen heute!«
    Am Strand aber, wenn der Rücken die architektonische Szenerie vergaß, wiederholte sich das Panorama jedes beliebigen Badestrandes des Maresme, mit mangelhaftem Sand und Badegästen, die dem schadstoffbelasteten Meer Barcelonas und seiner näheren Umgebung nach Norden entflohen waren. Während man an den Stränden im Süden der Stadt Charos Freundinnen treffen konnte, die ihre Ware bräunten, und braungebrannte Papagalli in Badehosen, die eng anlagen bis zur Eindeutigkeit, traf man an den Stränden im Norden gutbürgerliche Mütter, die sich hier unzulänglich erholten, während ihre Kinder um sie herumhüpften und plötzlich mit dem Ruf ›Papi, Papi‹ losrannten, wenn das Oberhaupt der Familie nach einem anstrengenden Arbeitstag am Strand auftauchte.
    Teresa sprang ins Wasser mit der Sicherheit, die gutes Training und die perfekte Beherrschung des Schmetterlingsstils verleiht. Carvalho streckte sich im Sand aus, wobei er den Kopf mit den im Nacken verschränkten Händen etwas anhob. Er sah zu, wie Teresa Furchen pflügte, wie sie immer schneller in einer perfekten, wie mit dem Lot gezogenen Senkrechten aufs Ufer zuschwamm. Sie kam aus dem Wasser, schüttelte im Laufen die Tropfen ab und warf sich neben Carvalho auf das Handtuch, das auf dem Sand lag wie das Rechteck eines Parkplatzes.
    Carvalho lag ungern in der Sonne wie eine Eidechse. Aber

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