Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche
Nebenspur abseits der Drogengeschichte gibt. Ich komme von Holland zurück, und alles hat sich perfekt entwickelt für Ihren Ramón. Alles deutet auf die Drogengeschichte, und es gibt nichts, was Sie beide mit der Sache in Verbindung bringt. Er hat mich zu früh eingeschaltet und will mich nun so schnell wie möglich wieder loswerden. Arbeit getan, Arbeit bezahlt. Aber das konnte nicht funktionieren: Ich war schon viel zu sehr an dem Fall interessiert.«
»Warum? Was wollen Sie?«
»Mehr Geld. Das wäre eine Erklärung. Oder ich will einfach den Fall für mich selbst vollständig aufklären. Ich mag solche Rätsel nicht und übe deshalb einen Beruf aus, der sich mit ihrer Lösung beschäftigt.«
»Von mir werden Sie nicht hören, daß Ramón Julio umgebracht hat.«
»Aber er hat es getan. Und zwar in der Villa, ganz bestimmt. Die Besitzerin hat Blutspuren gefunden.«
Queta bedeckte ihr Gesicht mit den Händen.
»Und er kann es nicht allein getan haben. Wie hätte er allein mit dem großen Mann fertig werden sollen, ›groß und blond wie das Bier‹?«
Jetzt sah ihn Queta verblüfft an.
»Wahrscheinlich half ihm die Familie Larios. Der Vater. Die beiden Brüder. Sie haben ihm viel zu verdanken, zum Beispiel den Arbeitsplatz der Tochter. Stimmt’s?«
Queta sah ihn fast mit Bewunderung an.
»Waren sie ’s?«
Die Frau blickte wieder auf die fliehende Straße.
»Und Sie waren dabei. Sie haben euch beide in flagranti erwischt.«
Jetzt weinte sie.
»Der Idiot war geboren, um das Inferno aus den Angeln zu heben, und starb von der Hand eines gehörnten Ehemanns. Haben Sie weggeschaut, als sie ihn umbrachten?«
Sie begann, mit beiden Fäusten hysterisch gegen das Seitenfenster zu trommeln.
»Ich will raus! Ich will gehen!«
Carvalho versetzte ihr einen Faustschlag in den Rücken, daß ihr die Luft wegblieb.
»Ich bringe dich jetzt zurück nach Hause. Du kannst deinem Mann von unserem Plauderstündchen erzählen und ihm sagen, daß wir nicht zu einem Besuch in Caldetas gekommen sind. Daß er sich meinetwegen keine Sorgen zu machen braucht. Aber morgen komme ich vorbei und will mit ihm sprechen. Es war eine sehr anstrengende Arbeit, und ich habe so viele Dinge erfahren, daß ich mich unterbezahlt fühle. Vor allem, wenn das Gespräch morgen nicht so verläuft, wie ich es mir wünsche.«
Als Queta ihn durch den Salon gehen sah, war ihm keine Gefühlsregung anzumerken. La Gorda kam ihm wieder zuvor, und als er das Büro betrat, stand sie bereits Wache neben Señor Ramón. Der Alte wartete, bis Pepe sich gesetzt hatte, dann schickte er La Gorda hinaus, und als er sicher war, daß sie allein waren, öffnete er eine Schublade im Tisch, nahm einen Umschlag heraus und warf ihn Carvalho zu. Der öffnete ihn gemächlich. Zählte das Geld. Einhunderttausend.
»Nehmen Sie das Geld, und gehen Sie!«
Carvalho steckte das Geld zurück in den Umschlag und schleuderte ihn mit Wucht in das Gesicht von Señor Ramón.
»Ich habe noch nicht entschieden, ob ich kassieren will oder nicht.«
»Was wollen Sie noch? Queta hat Ihnen doch alles erzählt.«
»Besser gesagt, ich erzählte ihr alles, und Ihre Frau sagte nicht nein.«
»Was erzählten Sie ihr?«
»Sie finden heraus, daß Ihre Frau einen Liebhaber hat. Tauchen mit ein paar Komplizen am Ort des Stelldicheins auf und bringen ihn um. Dann schaffen Sie ihn mit einem Lieferwagen für Tiefkühlprodukte zur Lagerhalle Larios in Badalona, fahren ihn mit einem Motorboot aufs Meer hinaus, verkleiden ihn als Schwimmer und werfen ihn ins Wasser. Aber die Leiche ist gefährlich. Sie hat das Gewicht eines dicken Drogenpakets. Sie bekommen alarmierende Nachrichten und sehen, daß Sie von der Polizei oder von Freunden des Toten mit der Sache in Verbindung gebracht werden könnten. Sie kennen nicht einmal seinen Namen. Die Polizei führt die Ermittlungen mit großer Gründlichkeit. Also beauftragen Sie mich, die Identität des Toten herauszufinden, denn ich werde die Sache im Zustand paradiesischer Unschuld angehen und Ihnen frische, unvoreingenommene Informationen liefern. Ihr Pech ist, daß ich an der Person Interesse gewinne. Das passiert nicht immer. Früher schätzte ich die Literatur sehr, Señor Ramón. Heute schätze ich nur noch Literatur aus Fleisch und Blut, und unser Freund war eine Art gescheiterter Romanheld. Ich ging also den Spuren nach, die ich gefunden hatte, und stieß am Ende auf die Frau aus dem Chanson, auf die wahre Frau aus dem Chanson.«
»Aus welchem
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