Per Anhalter (German Edition)
Aber sie wollte nicht wieder vor ihm heulen. Auf keinen Fall! Zu ihrer Überraschung kam er ohne ihre Mutter und zu ihrer weiteren Überraschung ließ er diesbezüglich nicht einmal einen Kommentar ab, wie zum Beispiel, dass sie nicht mit gekommen ist, weil sie den Stress und den Ärger hier nicht mehr verkraftet.
Dafür rannte er gleich - ganz der Elefant im Porzellanladen - eine andere Tür ein. Nadja sagte, sie hätte extra auch für Oma Brötchen mitgebracht, worauf er nur schroff entgegnete, „Oma und Opa haben längst gefrühstückt. Es ist bald halb zehn, da frühstücken wir nicht mehr, das weißt du doch.“ Sie fragte sich, wie ihr eigener Vater, den sie abgöttisch liebte und in gewisser Weise immer bewunderte, nur so lieblos sein konnte. Jegliches Feingefühl und alle Herzlichkeit waren bei ihm in letzter Zeit völlig auf der Strecke geblieben. Früher war er nicht so. Ganz und gar nicht. Da hätte er Nadja gedrückt und ihr gesagt, „Wir frühstücken ein anderes Mal wieder mit Oma zusammen“, oder, „Ich bringe Oma nachher die Brötchen mit, die du für sie besorgt hast. Da wird sie sich freuen.“
So musste man es mit Kindern machen, und das Schlimme war, dass ihr Vater das eigentlich ganz genau wusste.
Er ließ sich auf den Küchenstuhl nieder, nahm sein Käppi vom Kopf und legte es auf den Tisch. Dann kratzte er sich, starrte zunächst den Tisch an und dann sie.
„Gibt’s keinen Kaffee bei dir?“ fragte er. Und tatsächlich, das hatte sie ganz vergessen.
Wie konnte sie nur?
Hallo? Es ist halb zehn, da trinken wir hier keinen Kaffee mehr… Arschloch!
Sie stand auf und schenkte ihm Kaffee ein.
Zwei Stücke Zucker, einen kleinen Schuss Sahne – einen winzig kleinen Schuss, so winzig, dass man ihn sich eigentlich sparen könnte, aber das tat man besser nicht...
„Also, noch mal. Die Polizei hat David sein Handy gefunden. In dem Wald bei Flensburg, wo gestern der Polizist ermordet wurde, hab ich das richtig verstanden vorhin?“, sie nickte,
„Ja.“ Er gab eine Reihe eigenartiger Laute von sich und schüttelte dabei den Kopf. Dann kam der Knaller:
„Wieso haben sie sein Handy gefunden? Warum nicht ihn?“
Das hat er jetzt nicht gerade wirklich gefragt, oder? Sie schaute ihn ratlos an.
„Wie meinst du…“,
„Wie kann es angehen, dass dieser Junge uns das antut? Wie kann das angehen, Schatz? “,
„Wovon sprichst du jetzt?“,
„Ach komm, stell dich doch nicht blöder an als du bist.“,
„Tu ich aber. Ich will jetzt wissen, was du meinst!“,
„Hast du das nicht gehört in den Nachrichten? Da wurde ein Polizist erschossen, Mareike. Ein Polizist! Wenn du dir selbst einen Gefallen tun willst, dann sorg dafür, dass du ein gutes Alibi hast und für den Rest sag, dass du mit der ganzen Scheiße nichts mehr zu tun haben willst. Der Bengel sitzt doch schon so gut wie im Knast.“,
„Was redest du denn da?“,
„Was ich da rede? Meinst du vielleicht, die Polizei ist total bescheuert? Wenn er von Zuhause abhaut und die sein Handy in unmittelbarer Nähe eines Tatorts finden, wo ein Polizistenmord begangen wurde… meinst du nicht, die können eins und eins zusammen zählen?“,
„Sag mal, du glaubst doch wohl nicht ernsthaft, dass David etwas mit einem Mord zu tun hat. Das steht überhaupt nicht zur Debatte!“,
„Steht nicht zur Debatte? Das steht nicht zur Debatte? Mareike, bist du so blöd oder tust du nur so? Natürlich sagt dir der freundliche Polizist nicht, dass David…“,
„Das sollen irgendwelche… irgendwelche Wilden gewesen sein…“,
„Sagt die Polizei, ja…“,
„Ja, das sagt die Polizei, ganz genau.“,
„Und du glaubst, die ermitteln nur in eine Richtung oder wie? Wenn da jemand aus den eigenen Reihen abgemurkst wird, dann kannst du aber glauben, dass die Himmel und Hölle in Bewegung setzen das aufzuklären.“,
„Mit keiner Silbe wurde erwähnt, dass David als Täter auch nur in Betracht kommt.“,
„Weil die nicht blöd sind, Mensch. Das ist Ermittlungstaktik. Du hältst die wohl für total bescheuert, oder? Eins kannst du mir glauben, die wissen viel mehr als du denkst und ich wiederhol das jetzt noch mal: Wenn du dir einen Gefallen tun willst, dann sorg dafür, dass dir jemand ein wasserdichtes Alibi gibt. Auch wenn du nichts damit zu tun hast, das musst du erstmal beweisen.“,
„Jetzt mach aber mal halblang, Papa.“,
„Ich mache jetzt…“,
„Du machst jetzt mal halblang!“ Jetzt fuhr sie aus der Haut – „Ich
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