Per Anhalter (German Edition)
aber warum kommt gleich wieder so ein blöder Spruch. David hat niemanden umgebracht. Ich habe vielmehr Angst, dass ihm etwas passiert ist.“,
„Jaa, jaa, na sicher, du bist die Mutter, ganz klar. Aber ich sehe immer nur, wie er ankam und keinen Ausbildungsplatz mehr hatte, weil er geklaut hat. Seinen eigenen Chef hat er beklaut. So etwas tut man nicht. Und dann diese gleichgültige Art. Schulterzucken, wegschauen und einfach faul weiter leben wie bisher. Sich um nichts kümmern, weißt du? Er ist genau wie sein Vater. Wenn er so weiter macht, endet er als Niemand. Als Penner irgendwo auf der Straße. Das hab ich ihm so oft schon gesagt und es hat weder ihn noch dich jemals interessiert.“,
„Denkst du vielleicht, ich weiß das alles nicht? Hältst du mich immer noch für so naiv?“,
„Nein, aber…“,
„Doch, Papa. Genau das tust du. Und ich glaube, ganz ehrlich, du hast den Ernst der Lage hier noch immer nicht begriffen. Das eine hat mit dem anderen nicht das Geringste zu tun. Nur weil er geklaut hat, ist er noch kein Mörder. Ich spüre hier“ sie fasste sich mit beiden Händen ans Herz, „Hier drinnen, dass mein Junge Hilfe braucht.“,
„Na ja, aber…“,
„HIER DRINNEN spüre ich es, Papa. Und da kannst du drüber lachen oder mir sagen dass ich einen an der Waffel hab, hier drinnen weiß ich, dass mein Junge Hilfe braucht. Wie genau weiß ich nicht, aber er braucht Hilfe. Er ist da in irgendeine Scheiße rein geraten und nun…“,
„Warum besucht die Polizei denn nicht mal diese Freundin? Das ist doch von diesem Scheißinternet eine, oder?“,
„Tun sie doch.“,
„Man hört ja immer die dollsten Dinger, was da im Internet so passiert.“,
„Ja, ich weiß. Und sie tun es jetzt. Das haben sie mir vorhin zugesichert.“,
„Na.“,
„Ja!“,
„Ich sag ja, wenn es um einen Kollegen geht, dann kriegen die ihren Arsch aber schneller hoch als du gucken kannst.“,
„Aber ich brauche deshalb gar nichts tun, Papa. Ich muss weder meinen Arsch retten noch sonst was. Das einzige, was ich, und was du und was Mama und was Nadja tun müssen, ist verdammt noch mal zu beten, dass dieser Junge heil wieder nach Hause kommt. Weiter nichts. Nothing!“
Irgendwie kam das Ganze nicht im Gehirn ihres Vaters an, hatte sie das Gefühl. Er begehrte noch immer dagegen auf, aus welchem Grund auch immer. Vielleicht verschloss er die Augen oder seine Meinung war längst wieder so festgefahren, dass er nicht von ihr abrücken konnte. Er spielte mit seinen Händen auf dem Tisch und schüttelte unentwegt den Kopf. Nun hatten sie sich also beide den Mund fusselig geredet, geweint und sich angeschrien, und waren immer noch kein Deut weiter als zuvor.
Ihr Vater legte seine Hände an den Hals und lehnte sich zurück.
Dann atmete er schwer aus und schüttelte wieder den Kopf.
„Was machen wir denn nun?“ fragte er. Sie nahm Tabak aus der Dose um sich eine neue Zigarette zu stopfen, doch ihr Vater schob seine Packung zu ihr herüber und sagte, sie könne sich von seinen eine nehmen.
„Ich weiß es nicht, Papa. Ich weiß es wirklich nicht. Wenn ich es nur wüsste“ Sie stützte ihren Kopf ab. Aus Nadjas Zimmer drang laute Musik – extrem laute sogar.
Protestmusik nannte man das wohl.
Ich drehe jetzt das Radio ganz laut auf, hört ihr? Ganz laut. Ganz, ganz, ganz, ganz laut – dann muss ich mir euer blödes Geschwafel nicht mehr anhören und ihr könnt mich alle mal!!!
„Lass sie“ sagte ihr Vater mitfühlend, als er merkte, dass seine Tochter im Begriff war aufzustehen und für Ruhe zu sorgen.
„Für sie ist das auch schwer genug.“,
„Ja“ stöhnte sie, „Ich weiß.“,
„Das sie so ganz anders ist als David… Wahnsinn, oder?“,
„Na ja, da sind zwei verschiedene Väter im Spiel.“,
„M-hm. Sie hat mehr von dir. Du bist nie von Zuhause abgehauen.“,
„Ach, Papa!“,
„Nein, nein, ich weiß. Mit dir hatten wir ja auch unsere Sorgen, aber…“
Plötzlich klingelte das Telefon. Mareike sprang sofort auf. Intuitiv wusste sie, dass der Anruf wichtig war.
„NADJAAA! Mach die Musik aus!“ – Keine Reaktion. Sie riss ihre Zimmertür auf und schrie:
„Telefon! Mach bitte mal die Musik aus.“ Entnervt und mit beleidigtem Gesichtsausdruck stand Nadja von ihrem Bett auf und drückte auf Stopp. Endlich Ruhe. Mareike hob ab. Am anderen Ende der Leitung – die Polizei!
Kapitel 11
Der kleine Ballermann auf dem Beifahrersitz (eine Beretta 81) stammte noch aus seiner Zeit
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