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Per Anhalter (German Edition)

Per Anhalter (German Edition)

Titel: Per Anhalter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oke Gaster
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und nach einem Ausweg suchte.
    David quetschte sich zwischen zwei Tannen hindurch. Seine Gesichtshaut war benetzt mit Spinnenweben und er hatte das Gefühl, als würden hunderte von kleinen Tierchen auf ihm herum krabbeln. Zu allem Überfluss fing nun auch noch das kleine Mädchen an zu weinen. Das volle Programm also.
    Aber hier waren sie in Sicherheit. Vorerst zumindest.
     
    Nun musste er sich erstmal setzen und nachsehen, was er sich in den Fuß getreten hatte. Er fand einen Baumstumpf mit relativ glatter Oberfläche in dem Dickicht und setzte sich darauf. Behutsam legte er das winzige Bündel von einem Mensch neben sich ins Gras, und flehte es im Stillen an, doch bitte wieder ruhig zu sein. Das beste Versteck nützt einem nichts, wenn man durch irgendwelche Laute auf sich aufmerksam macht. Kurz bevor David sich seinen Fuß betrachtete und daraufhin ganz andere Sorgen hatte, schoss ihm ein entsetzlicher Gedanke durch den Kopf.
    Ich könnte das Baby hier einfach liegen lassen. Sie werden sich an seinen Schreien orientieren und es hier finden. Aber mich werden sie nicht finden. Ich bin dann längst über alle Berge. Es mag sich hart anhören, doch für einen Augenblick fasste David genau diesen Gedanken ernsthaft ins Auge. Wie gesagt, bis er auf die Sohle seines schmerzenden Fußes schaute. In diesem Moment verlor alles andere seine Bedeutung. Fassungslos starrte er darauf und alles in ihm spielte verrückt. Er wurde von blankem Entsetzen geschüttelt. Sein kompletter Fuß war schwarz vor Dreck und blutüberströmt, und die Spitze einer Glasscherbe ragte heraus. Kein Stein also, sondern eine Scherbe!
    Hatten sie nicht gerade letztes Jahr das Thema Sepsis in der Schule durchgekaut bis zum Gehtnichtmehr... Ein Mädchen aus der Grundschule war daran gestorben. Mit gerade einmal 10 Jahren. Sie hatte sie sich auf Klassenfahrt zugezogen, nachdem sie von zahllosen Mückenstichen nur so durchlöchert war. Sie hatte angefangen sie sich aufzukratzen. Es hieß, sie habe ausgesehen, als hätte sie einen kompletten Apothekerschrank voll Kortison zu sich genommen. Ihr Gesicht ähnelte einem Basketball und hatte kaum noch menschliche Züge. Die beiden Lehrerinnen informierten zwar noch vor Ort die Eltern des Mädchens, jedoch nur mit dem dezenten Hinweis darauf, dass bei der Heimkehr wohl eine Behandlung mit Fenistil oder ähnlichem notwendig werden würde. Als sie zu Hause ankamen war das Mädchen bereits mehr tot als lebendig. Sie kam sofort ins Krankenhaus, fiel ins Koma und starb zwei Tage später.
    Nach diesem schrecklichen Vorfall, der David ziemlich mitnahm, obwohl er das Mädchen gar nicht kannte, sprach man in den Unterrichtsstunden hinlänglich über dieses Thema.
    Über Ursachen, Symptome und präventive Maßnahmen. Und genau daran erinnerte sich David jetzt.
    Eine Glasscherbe bedeutete Dreck. Und Dreck klebte auch unter den Fingernägeln des Mädchens hieß es. Durch jene permanente Verunreinigungen in ihrem Blut, war sie letztlich gestorben.
    Und nun war er an der Reihe, argwöhnte David.
    Der Glassplitter lag vielleicht schon seit Jahren in der Erde und war dementsprechend verdreckt. Durch das Laufen hatte er ihn sich immer tiefer in den Fuß hinein getreten, so dass nur noch ein spitzes Ende der Scherbe durch ein klaffendes Loch in seiner Haut hervor lugte. Und in dieses klaffende Loch war jetzt noch mehr Schmutz eingedrungen, als durch die Scherbe allein ohnehin schon drinnen war. Er fasste das Ende der Scherbe vorsichtig mit zwei Fingern an und zog daran. Das Scheißteil musste aus seinem Körper verschwinden und zwar sofort! Doch es tat so höllisch weh, dass er sein Vorhaben unterbrechen musste.
    Die Scherbe schien voll von Widerhaken zu sein. Er biss die Zähne zusammen, versuchte es erneut. Vergebens.
    Ich will nicht sterben , dachte er voller Panik. Was für eine Geschichte wäre das. Da hatte er sich wahrhaft todesmutig aus den Klauen dieser Verrückten befreit, ein Baby vor ihnen gerettet und starb letztendlich an einer Blutvergiftung. Das ist nicht fair . Und er sah bereits wie dick sein Fuß anschwoll, er spürte, wie der Dreck mit all seinen Bakterien durch seine Adern wanderte und ihn langsam aber konstant vergiftete.
    Natürlich war das rein psychosomatisch, vergleichbar mit der juckenden Kopfhaut die man spürt, wenn man weiß, dass der, neben dem man sitzt, von Läusen befallen ist oder vor kurzem befallen war. Das ist natürlich nicht wirklich so, aber das Kribbeln ist ausgesprochen real und lässt

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