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Per Anhalter (German Edition)

Per Anhalter (German Edition)

Titel: Per Anhalter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oke Gaster
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haben, nicht nur in irgendwelchen Fächern sondern auch zwischenmenschlich… Was bin ich bloß für eine egoistische alte Ziege… Was bin ich bloß für eine Mutter ? David wäre wohl nie so geworden wie er ist, wenn ich mich mehr um ihn gekümmert hätte. Wenn er eine unbeschwerte Kindheit genossen hätte… mit einem Vater und einer Mutter, wie es sich gehört… Oder wenn ich ihm zumindest das beschissene Zugticket gekauft hätte… Warum habe ich nur alles falsch gemacht? Warum? Er wäre nie verschwunden, wenn alles anders gewesen wäre. Ein normales Kind kommt doch gar nicht auf die Idee, sich von einem Fremden mitnehmen zu lassen. Warum mein Sohn? Warum er?
    Ihre Tränen schwappten noch immer nicht über. Es ist kaum möglich auf Knopfdruck zu weinen. Sie wollte weinen, aber es klappte nicht.
    Es blieb bei dem verzweifelten Versuch, sich selbst das Ventil zu schaffen.
    Mama und Papa? Die schlafen! Die können schlafen, obwohl ihr Enkel womöglich gekidnappt wurde. Ist das zu fassen? Darf das wahr sein? Die ganze Welt schläft oder schaut Fern oder was weiß ich was die alle machen. Keinen interessiert es, wie sich eine Mutter fühlt, wie sie sich quält, wenn ihr Kind verschwunden ist. Noch nicht einmal meine eigenen Eltern. Legen sich ins Bett und pennen, unfassbar.
    Sie lauschte der Stille. Nur das gleichmäßige Atmen ihrer Tochter war zu hören.
    Ich brauche eine Zigarette! Jetzt. Sofort. Dringend !!!
    Ihre Handtasche stand auf dem Stuhl im Zimmer. Ein einfacher, alter Holzstuhl, mitten im Raum. Kein Schreib- oder Esstisch dazu, nur der Stuhl. Warum auch immer dieser Stuhl dort stand. Es schien keine logische Begründung dafür zu gebe. Also benutzte sie ihn halt als Ablage. Sie suchte ihre Tabakdose und ihr Handy heraus. Dann ging sie in die Küche, um sich eine Zigarette zu stopfen.
    Die Wohnung roch nach kaltem Rauch und dem typischen Geruch ihrer Eltern. Eine vertraute Geruchskombination, die seit jeher fest in ihrem Kopf verankert war.
    Es war komplett still im Haus, beinahe schon bedrückend.
    Doch dann hörte sie das Geräusch einer knarzenden Holzdiele und auf einmal stand ihr Vater in der Küchentür. Sie hätte beinahe laut aufgeschrien, so sehr hatte sie sein plötzliches Auftreten überrascht.
    Er wippte zunächst auf der Schwelle, dann setzte er sich, ohne ein Wort zu sagen, zu ihr an den Tisch. Er trug einen Pyjama, der wie ein Holzfällerhemd gemustert war. Seine Latschen erzeugten beim Gehen auf dem Linoleumboden der Küche schmatzende Geräusche. Er zündete sich eine Zigarette an und räusperte sich. Sie wartete darauf, dass er irgendetwas sagte, doch er blies nur geräuschvoll seinen Rauch aus. In der schummrigen Dunkelheit erkannte sie nur grob seine Umrisse. Nach kurzer Zeit wiederholte sich alles noch einmal. Er pustete gedehnt seinen Rauch aus und räusperte sich. Als ob sie gar nicht da wäre.
     
    Ich werde nichts sagen, dachte sie, er kann man schön ´n schlechtes Gewissen haben, das macht gar nichts. Aber Pustekuchen – Ihr Vater war doch immer für eine Überraschung gut. Nach einer Weile brummelte er plötzlich sanft:
    „Du musst nicht immer, äh, so schnell die Fassung verlieren, Schatz.“ Als spräche er mit einer kleinen ungezogenen Göre, die durchgedreht war, weil sie keine Süßigkeiten bekommen hatte. Wieder einmal hatte sie das Gefühl, sie steckte im falschen Film. Sie hielt das Feuerzeug in der rechten Hand, knallte es auf den Tisch und stand auf. Ohne ein Wort. Ihr Vater griff nach ihrem Handgelenk als sie an ihm vorbei ging. Jetzt kommt er gleich wieder auf die „so hab ich das doch gar nicht gemeint“-Tour.
    Aber nein – auch hier eine Überraschung. Auf einmal blaffte er sie an, „Jetzt ist es ma gut Fräulein. Nu fang man nich an komisch zu werden.“,
    „ Ich werde komisch? Weißt du was, ständig hackst du nur auf mir rum. Ich glaube du merkst schon gar nicht mehr, wie komisch du wirst. Außerdem bin ich nicht mehr dein Fräulein , falls du es noch nicht gemerkt hast.“,
    „Ach komm, ich will mich nu auch nicht mit dir streiten.“,
    „Ja, aber dann fang du doch nicht ständig mit deinen blöden Kommentaren an.“,
    „Meine Güte noch mal, ich kann doch auch nix dafür, dass dein Sohn weg rennt, oder? Mareike, er hat selber Schuld. Per Anhalter ist er gefahren. Hast du dir das mal genau überlegt? Tickt der Junge noch sauber? Du kannst man froh sein, dass die Polizei nicht gesagt hat, da hat er selber Schuld.“
    Sie war längst im Flur,
    „Nu

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