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Per Anhalter (German Edition)

Per Anhalter (German Edition)

Titel: Per Anhalter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oke Gaster
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Alter, das weißt du ganz genau. Noch bist du einer von den harten Kerlen, die sich immer zur Arbeit schleppen und die mehr oder weniger schon auf der Inventarliste auftauchen, weil jeder weiß, wie lange sie da sind und wie hart sie arbeiten. Klar, wenn du dich nicht fühlst, bleib doch zu Hause. Aber dann war´s das mit der Bewunderung…
    Er war in all den Jahren nur ein einziges Mal mit Kotzerei und ein weiteres Mal mit einer Stirnhöhlenvereiterung zu Hause geblieben. Bei Letzterem hatte seine Frau sogar mit Scheidung gedroht, wenn er nicht verdammt noch mal auf Arbeit und anrief und mit dem Arsch zu Hause bliebe (Allerdings kriselte es zu gegebener Zeit ohnehin arg in seiner Ehe. Sogar er selbst hatte irgendwann den Eindruck, eher mit der Arbeit als mit seiner Frau verheiratet zu sein).
     
    Auf einmal sagte Sasetti: „Wenn du das Gefühl hast, dass geht dir hier zu heftig rein“ – er deutete mit seiner Hand auf seinen Kopf – „Dann übergib mir den Fall. Du hast in letzter Zeit sowieso schon die ganze Kacke immer an deinen Fingern kleben.“
    Oh ja, das hatte er wirklich. Auch er selbst hatte den Eindruck, als bekäme immer er die nervigen Scheißfälle ab.
    Zuletzt musste er sich mit einer 15-Jährigen abplagen, die angeblich von ihrem Stiefvater missbraucht worden war, in Wahrheit aber ein so hinterhältiges Miststück war, das auf die Art unliebsame Menschen aus ihrem Leben zu verdrängen suchte. Auch ihr Ex-Freund hatte sie angeblich vergewaltigt, ein Zirkusmensch, sowie ihr Klassenlehrer. Das erste Mal war sie angeblich mit 12 Jahren vergewaltigt worden. Seit sie gemerkt hatte, wie ihre Mutter auf dieses Thema reagierte, passierte ihr das komischerweise immer wieder. Dieses junge Ding hatte definitiv einen ganzen Arsch voller Probleme, aber keins davon fiel ins Ressort der Kriminalpolizei.
    Benneckes Fall schon. Und es war ein schwieriger Fall mit einer gigantischen Menge von Dingen, die im Falle einer schweigenden oder nicht zurechnungsfähigen Angeklagten eine unfassbare Menge an Aufarbeitung bedeuten würde.
    Das sieht dir ähnlich, Italo-Boy. Einmal schön im Mittelpunkt stehen und die Karriere ein bisschen vorantreiben, hm? Das könnte dir so passen! Mir passt es aber nicht.
    Plaschke stand auf und ging zum Fenster. Trist, verregnet und unter einem riesigen Tuch aus grauen Wolken spielte sich draußen das Leben ab. Irgendwo dort, unter all diesen Menschen, in irgendeiner der vier Himmelsrichtungen, saß eine Mutter am Bett ihres Sohnes, die tagelang die qualvollsten Ängste ausgestanden haben musste, die man als Elternteil überhaupt nur empfinden kann. Ihr Junge war sinnlos gequält und zerstückelt worden, von einer Frau, respektive von ein paar Menschen, die vollkommen gestört waren.
    Irgendwo dort draußen, in der großen weiten Welt, hatten Eltern, deren Tochter oder Sohn schon seit Jahren vermisst wurde die Hoffnung, ihr Kind wieder in die Arme schließen zu können. Und sie hätten ihr geliebtes Kind auch zerstückelt in die Arme geschlossen. Aber es ging nicht vorwärts. Was war mit diesen Kindern passiert? Lebten sie noch? Wo hatte dieser rassige Teufel mit den kristallenen Augen sie versteckt? Irgendwo dort draußen würde bald eine Familie den Mann, den Vater, den Sohn zu Grabe tragen, der den Beruf des Polizisten ausgeübt hatte. Auf einem Dorf. Einem winzig kleinen Kuhkaff. Mohrbüll. Dieser Mann war erschossen worden. Auf bestialische Weise. Und er konnte im Augenblick nichts tun, um für all diese Leute, ob es Familien waren, die ihre Kinder vermissten oder eine Ehefrau und ihre Kinder, denen das Familienoberhaupt genommen wurde… Mitten aus dem Leben gerissen.
     
    Eine Bö klatschte den Regen gegen das Fenster. Es war ein trostloser Tag. Irgendwie sehnte sich Plaschke nach seinem Bett. Er fühlte sich müde und niedergeschlagen. Jetzt sogar noch mehr als gerade eben.
    In der Frühe, als er sich auf dem Weg zur Arbeit befand, spielten sie im Radio das Lied, „Es gibt Tage, da wünschte ich, ich wär mein Hund“ von Reinhard Mey. Er hatte da bereits sehr andächtig dem Text gelauscht und ihm war das eine oder andere Schmunzeln abgegangen. Im Augenblick wünschte er sich das wirklich, ein Hund zu sein. Sich auf die Decke zu legen, die Augen zu schließen und sich in der Tat um nichts weiter als ums Fressen und Verdauung Gedanken machen zu müssen. Gerade, als das Lied wieder in seinem Kopf zu dudeln begann, mischte sich der diabolische Schädel Nadine Benneckes wieder in

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