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Per Anhalter (German Edition)

Per Anhalter (German Edition)

Titel: Per Anhalter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oke Gaster
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Innbegriff von Macht den Bennecke spürte.
    Sie allein war das Schicksal dieses Kindes und es musste sich dem fügen.
    Rein objektiv betrachtet tat sie nichts weniger Grausames als ihre Oma und Klaus. Aber das sah sie natürlich ganz anders.
    Der Kernunterschied war ja der, dass sie dem Jungen nicht etwa Leid antun, sondern einfach gut mit ihm zusammenleben wollte.
    Michael war ein ausgesprochen ruhiges Kind. Ausgesprochen besonnen.
    Nahm sie alle Kinder, die sie in den vergangenen Jahren bei sich aufgenommen hatte, zusammen, war er mit Abstand der Ruhigste von allen.
    Allerdings war er auch Spitzenreiter auf der Liste der schwersten Enttäuschungen in ihrem Leben.
    Eiskalt hatte er sie betrogen!
    Nach zwei Tagen hatte er damit angefangen, Mama zu ihr zu sagen. Ganz wie sie es sich gewünscht hatte. Das gefiel ihr sehr!
    Auch sonst machte er ziemlich rasch keine Anstalten mehr oder den Eindruck, er würde sich unwohl bei ihnen fühlen.
    Er spielte mit Lasse Fußball, zeigte sich interessiert und integrationswillig am Familienleben, und einmal bereitete er sogar mit Sonja und ihr zusammen einen Nudelauflauf zu. Sie war damals drauf und dran ihm so weit zu vertrauen, dass sie ihn nicht mehr in dem von Mario und Uwe selbst gezimmerten Verschlag schlafen lassen wollte.
    Warum auch? Michael schien sich wohl zu fühlen, Spaß zu haben und Wurzeln schlagen zu wollen.
     
    Doch dann kam Tag acht! Ein verregneter Sonntagmorgen. Sie war wie immer als Erste von allen wach und bereitete das Frühstück zu. Natürlich auch für Michael.
    Als sie an diesem besagten Morgen zu ihm nach drüben ging, wachte er ziemlich schnell auf. Fast so schnell dass man meinen konnte, er läge schon seit Stunden wach und wartete nur darauf, dass sie zu ihm nach drüben kam… Wer weiß, vielleicht war es auch tatsächlich so. Es war müßig darüber nachzudenken. Was sie ihm mitbrachte, war ein liebevoll zubereiteter Obstteller, zwei belegte Scheiben Weißbrot mit Wurst und Käse, sowie eines mit Nutella bestrichen. Dazu ein Joghurt und einen Kakao. Er sollte es ja schließlich gut bei ihnen haben.
    Wie immer bedankte Michael sich höflich. Er bat jedoch um eine Flasche Wasser, weil er so schrecklich großen Durst hatte. Seine Seltersflasche stand leer neben der Matratze auf dem Fußboden.
    „Selbstverständlich“ sagte sie und ging ihm eine neue holen. Zumindest eine Flasche Wasser brauchte er immer dort hinten. Sie hatte vorgehabt, ihm an diesem Morgen mitzuteilen, dass er fortan zwar weiterhin dort im Kabuff schlafen würde, er jedoch jederzeit frei darüber verfügen könne, wann und wie oft er nach draußen ging. Bislang hatten sie ihm immer die Türe aufschließen müssen. Damals gab es in dem Kabuff sogar eine Glocke, mit der sich die Kinder melden konnten, falls sie hungrig waren, Schmerzen hatten oder sonst irgendetwas war. Die Glocke war jedoch irgendwann einmal kaputt gegangen und es war von Mario und Uwe stets versäumt worden, eine neue anzubauen. Es war eine wirklich fetzige Konstruktion. Die Kinder konnten drinnen an einem dünnen Bändchen ziehen und draußen ging die Glocke los…
     
    Sie ging barfuß durch das regennasse Gras. In ihrer Hand eine frische Flasche Selters.
    Doch als sie dann in den Verschlag hinein schaute traf sie der Schlag – Michael war verschwunden!
    Da war nur die Matratze, sein aufgeschlagenes Bettzeug, und darauf das Tablett mit dem Frühstück.
    Dieser hinterhältige kleine Dreckskerl!
    Absichtlich hatte er sie eine Seltersflasche holen geschickt. Sie hätte es wissen müssen. Sonst brachte sie ihm die Seltersflasche immer von alleine. Und er hatte sie bislang nie vollständig ausgetrunken. Dieser Bastard, dieser gemeine, undankbare Hurensohn!
    Sie schleuderte die Flasche gegen die Tür, so dass sie in alle Einzelteile zersprang.
    „MICH-A-EEEL!“ brüllte sie im tristen Morgengrauen. Vielleicht war sie ja zu voreingenommen gewesen? Vielleicht machte er einfach nur um die Ecke Pipi?
    Aber da war selbstverständlich der Wunsch Vater des Gedanken.
    Der Junge war abgehauen! Einmal mehr hatte sie den Fehler gemacht, seine Cleverness zu unterschätzen. Sie hatte versäumt daran zu denken, dass dieser Junge sein Gehirn zum Nachdenken benutzte, und dass er ein völlig anderes Kaliber war als Sonja und Lasse.
     
    Da entlang war er gelaufen, da war das hohe Gras platt getreten und die dicken schwarzen Nacktschnecken sichtbar. Da musste sie hinter ihm her! Durch ihren Schrei war Mario wach geworden, was

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