Per Anhalter (German Edition)
über sie. Und der Gedanke, dass mein Junge da ganz allein mit dem Rad hingefahren ist, gefällt mir natürlich ganz und gar nicht.“,
„Ach mit´m Rad ist er da hin? Meine Güte, das muss ja die große Liebe sein, wa?“,
„Ja, mit dem Fahrrad. Ich hab gedacht, ich spinne. Wie weit mag das sein?“,
„Naa, knapp 50, 60 Kilometer sind das wohl. Aber für sonn jungen Kerl, meine Güte…“,
„Ich find das jedenfalls nicht in Ordnung, und ich weiß, dass wenn er nach Hause kommt, für ihn erst einmal alles ersatzlos gestrichen sein wird. Computer kann er vergessen, Fernsehen kann er vergessen und für den Rest kann er meinetwegen in seinem Zimmer hocken und versauern. Das geht jetzt einfach zu weit. Mal rum pupen zu Hause und mal Scheiße bauen ist eine Sache, aber einfach abzuhauen und nicht ans Handy zu gehen, das ist eine ganz andere, und auf sowas habe ich einfach keine Lust. Ich lass mich doch von ihm nicht verarschen, weißt du?“,
„Ne-ne, das würde ich aber auch so sehen. Aber dass is ja der Hammer.“,
„Oh ja!“ Stephan wollte gerade damit fortfahren zu reden, als er sah, dass einer seiner Kumpels angekommen war und den Shop betrat. „Öy, Fränki!“ grölte er,
„MOOOIN!“ grüßte dieser zurück. Auch Fränki , der immer stank wie eine ganze Mülldeponie, hatte wie es aussah schon fleißig getankt, bevor er mit dem Fahrrad zur Tankstelle kam. Sie hoffte, Stephan würde sich noch weiter mit ihr unterhalten, aber Pustekuchen. Er ging auf seinen Saufkumpel zu und begrüßte ihn mit Handschlag. Für ihn war das Thema offensichtlich beendet. So viel dann dazu , dachte Mareike enttäuscht. Da haben wir es mal wieder live und in Farbe: Diesen Mann als Partner zu nehmen wäre der größte Fehler der Welt. Jetzt war sie wieder pikiert – sogar richtig schlimm – doch dieses Mal ließ sie es ihn auch spüren (sie hoffte nur, dass er es überhaupt merkte. Sicher war sie sich da nicht!). Einer Mutter, deren Kind tags zuvor verschwunden war, eine solche Horrorgeschichte zu erzählen ist das eine. Aber eine Mutter, deren Kind tags zuvor verschwunden war, erst ihr Herz ausschütten zu lassen und sich dann mitten im Gespräch zu verpissen, das war noch eine ganz andere. Das ging gar nicht . Sie war noch nie zuvor so froh, sich nicht auf Stephan eingelassen zu haben, wie in diesem Augenblick.
***
Alter Verwalter hab ich nen Schädel... Drückt voll hinter den Augen. Und schlecht ist mir... Fuck off ist mir schlecht. Warum ist es so hell hier? Meine Hand brennt... und mein Rücken tut auch so scheiße weh. Aaargh und mein lSchädel ey.... Was ist denn das bloß?
David öffnete die Augen. Er war felsenfest davon überzeugt, in seinem Bett zu liegen.
Wo immer er hier war, in seinem Bett war er jedenfalls nicht.
Er blickte direkt auf einen strahlend blauen Himmel.
Irgendwo aus der Ferne hörte er das Brummen eines Flugzeugs und das Gezwitscher von Vögeln. Die Luft roch wie bei Tante Inge und Onkel Martin, die irgendwo auf dem Land wohnten.
Sie lebten „Jwd“ pflegte Mutter immer zu sagen. Janz weit draußen. Sie fand es auch immer wieder lustig wenn sie das sagte, genau wie wenn man sie fragte, wo der oder der Ort war. Dann sagte sie: Draußen und wird nachts nicht reingeholt. Das war ungefähr so witzig wie Fußpilz, aber sie konnte nicht anders. Diese blöden Sprüche waren ihr so in Fleisch und Blut übergegangen, dass man sie schon fast als Zwangskrankheit bezeichnen konnte.
Die Luft aber gefiel ihm. Er assoziierte mit ihr viele romantische Kindheitserinnerungen.
Sie erinnerte ihn an Grillabende, heiße Sommer, viel Platz und vor allen Dingen an Heimeligkeit.
Obwohl es bei Tante Inge und Onkel Martin meistens stinklangweilig war, war es auf eine nicht zu beschreibende Art und Weise jedes Mal nett bei ihnen. Die Luft roch nicht nur gut, sie war auch angenehm warm. Dumm nur dass ihm speiübel war und er wirklich verheerende Kopfschmerzen hatte. Noch schlimmer war, dass er nicht den Hauch einer Ahnung hatte, wo er sich hier befand und wie er hierher gekommen war.
Er setzte sich hin und das erste was er sah, waren zwei lottrige alte Wohnwagen, zwischen denen eine Wäscheleine gespannt worden war. Die Fensterscheiben beider Wohnwagen waren beschlagen. Hinter ihnen erkannte er Unmengen Feuerholz in einem Verschlag, über dem eine Reihe hoher Kiefern empor ragte.
Wo zum Teufel bin ich hier?
Die Erinnerung war blass wie eine Milchglasscheibe. Er hatte einen kompletten
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