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Per Anhalter (German Edition)

Per Anhalter (German Edition)

Titel: Per Anhalter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oke Gaster
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war drogensüchtig und alkoholkrank.
    Britta, die er Mama nannte, war mit seiner leiblichen Mutter befreundet gewesen. Er erinnerte sich noch gut an jenen Wintertag, als Britta in ihre Wohnung kam. Zuerst war alles wie immer. Doch als seine leibliche Mutter, ihr Name war Nicole, ins Badezimmer ging, sagte Britta plötzlich: „Komm, ich möchte dir mal was zeigen. Hast du Lust?“
    Und er hatte „Ja“ gesagt. Britta hatte damals noch einen Ford Fiesta. Mario (Papa) saß hinter dem Steuer. Er sollte sich nur hinten hin setzen hatte Britta gesagt, und dann würde er schon sehen.
     
    Tja, und seither war er eben Brittas Kind. Seine leibliche Mutter hatte er nie wieder gesehen. Komischer Weise hatte er sie auch nie vermisst.
    Nicole war keine gute Mutter. Sie schlief meistens. Und wenn sie nicht schlief war sie besoffen oder schrie wie eine Irre und zertrümmerte alles, was nicht Niet- und Nagelfest war. Er hatte Mama einmal zu Papa sagen hören, dass Nicole schizophren oder so war, und dass sie einmal mitbekommen hätte, wie sie ihren Kopf auf eine heiße Herdplatte legte, nachdem sie sich zuvor eine Glatze geschnitten hatte.
    „Ich hab versucht sie zurück zu halten, aber die Grafen hätten es ihr befohlen. Sie fände keine Erlösung, wenn sie nicht auf die Grafen hörte.“
    Tatsächlich konnte Lasse sich selbst an Situationen dieser Art erinnern. Vor allem aber erinnerte er sich daran, dass seine leibliche Mutter manchmal am Tisch saß, sich ihre Zigarette auf dem Arm ausdrückte und starr durch ihn hindurch sah. Sie redete auch, aber so gut wie nie mit ihm. Sie redete mit jemandem, den nur sie sehen konnte.
    Manchmal schrie sie einfach so los und dann flog alles durch die Gegend. Er erinnerte sich, wie sie einmal ihren Kopf so heftig gegen die Badezimmertür schlug, dass sie blutete und einfach umfiel.
    Bei Britta war es da viel besser. Sie schrie so gut wie nie und redete mit ihm. Er hatte sich an ihre Art zu leben angepasst und er dachte so gut wie nie mehr an seine leibliche Mutter.
    Für ihn war dieses Leben hier normal. Für ihn war auch Angst völlig normal, auch wenn er heute nur noch selten solche Angst hatte wie früher.
    Damals hörte er immer nur, dass sie wieder hinter ihnen her waren. Und wenn Mario (Papa) oder Uwe nachts vor dem Wohnwagen Wache hielten, fürchtete er sich ohne Ende.
    Aber über die Jahre war er älter und reifer geworden. Er verstand noch immer nicht alles, aber er verstand genug.
    Sie oder Die waren keine Monster. Sie , das waren Polizisten oder Leute, die sie nicht mochten.
    Er hatte schon oft gesehen, wie Papa jemanden kalt machte. Dann mussten sie sich beeilen. Es musste schnell gehen. Seit Vivi da war, war das ganze hin und her noch viel schlimmer geworden. Mama war vom Einkaufen gekommen und hatte gerufen: „So alle miteinander - Sachen packen!“ Zuerst wusste keiner so recht was los war, aber dann hatte sie plötzlich dieses Baby auf dem Arm. Papa passte dies anfangs gar nicht. Er war stocksauer auf Mama. „Was soll das denn jetzt wieder?“ hatte er sie angeblafft. „Die hat mich so süß angelächelt“ entgegnete ihm Mama. „Und ich konnte einfach nicht anders.“ Es war nicht das erste Mal, dass sie ein Baby mit hatte.
    Und nicht nur Babys.
    Sie bekam in regelmäßigen Abständen einen Rappel und wollte „die Familie erweitern“ wie sie es nannte. Bestimmt schon so zehn Mal war es vorgekommen, dass sie irgendwelche Kinder oder Jugendlichen mit anschleppte. Papa war nicht immer begeistert, weil er wusste worauf es hinauslief (sie hauten ab, sie machten Ärger, sie wurden erledigt…).
     
    Im vergangenen Sommer (vielleicht war es auch schon zwei Jahre her) jedoch hatte Mama Mädchen mit gebracht. Zwillinge. Sie waren vielleicht 8 oder 9 Jahre alt, und Mama hatte sie in Dänemark an einer Schule entdeckt, wo sie ihren Bus verpasst hatten.
    Da hatte Papa sich ehrlich gefreut. Er hatte mit ihnen Dinge angestellt, die gleichzeitig erschreckend und faszinierend waren. Sie waren eine oder zwei Wochen da.
     Papa hatte sie in der Kammer gefangen halten, in Uwes Wohnwagen.
    Und immer wenn Mama nicht da war, waren er, Uwe und Papa zu ihnen gegangen, und hatten sie wahllos geschlagen, ihre langen Haare angefackelt oder auf sie drauf gepinkelt. Eines Nachts war ihm - Lasse - eine verboten scharfe Idee in den Sinn gekommen. Er wollte die beiden unten rum anfassen. Sie konnten nicht schreien oder sich wehren, denn sie waren gefesselt und geknebelt. Würde ja keiner

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