Per Anhalter (German Edition)
wohnen haben oder womöglich gar Verbrecher.
Ingwersen war sicher kein Superheld, aber dass er so einen Zinnober veranstaltete, bis er ihn in dazu brachte, mit ihm herzufahren, hätte er nicht erwartet.
Plötzlich meinte Christian: „Ist doch komisch, dass die Leute sich im Wald immer so sicher fühlen, findest du nicht?“ Werner sah ihn überrascht an,
„Wieso?“,
„Na ja, ich meine, es gibt doch eigentlich keine gruseligeren Orte als Wälder. Da ist es dunkel, da leben Tiere…“ Er verstand nicht, worauf Christian hinaus wollte. Womöglich verstand Christian es selbst nicht, denn er hielt nun inne.
Er hat Schiss , dachte Werner, er hat einfach Schiss vor dem Wald und davor, was ihn erwartet.
„Ich mein bloß, auch wenn du ´n Verbrecher bist, warum versteckst du dich im Wald? Klar, da ist niemand sonst, du hast viel Fläche um dich zu verstecken, aber es ist doch auch unheimlich. Gerade nachts stell ich mir das unheimlich vor.“ Dann drehte Christian seinen Kopf in Werners Richtung. „Dass man da Müll ablädt versteh ich ja noch, aber dass es Leute gibt, die da Orgien feiern.“ Er schüttelte den Kopf. Werner wusste immer noch nicht, worauf Christian hinaus wollte und was er darauf antworten sollte, also stöhnte er gedehnt „Jaa“, um so zumindest zum Ausdruck zu bringen, dass er ihm zugehört hatte.
Sie waren nun auf Höhe des Hauses von Elli und Reinhard Wagner. Es war wirklich ein beneidenswert großes und schickes Anwesen. Im Garten war niemand zu sehen.
Gleich mussten sie rechts abbiegen.
„Wollen wir mal hoffen, dass wir mit deiner Mühle auch durch den Wald kommen“ stichelte Werner in Richtung Christian, der partout nicht davon abrücken wollte, mit dem Streifenwagen zu fahren, obwohl dieser ganz sicher alles andere als geländetauglich war. „Da mach du dir man keinen Kopf. Bis jetzt bin ich noch überall damit hingekommen.“,
„Ich denk bloß, wenn es so zu regnen anfängt, wie sie angekündigt haben, dann könnte es schwierig werden… Wegen Matsch.“,
„Ja, hab ich gehört. Soll ordentlich Regen geben. Aber ja erst heut Nacht.“,
„Ne, ich meine die sagten ab dem frühen Abend.“ Christian zuckte mit den Schultern, „Ändern können wir´s eh nicht.“,
„Ne-ne, aber dann äh… mit dem Auto… Im Wald? Dann hast du elf Richtige.“,
„Ach wat. Ist das hier?“,
„Kleines Stück weiter noch. Da vorne.“,
„Wo?“,
„Hier jetzt gleich. Da liegt vorne an so´n großer Stumpf am Boden.“,
„Ach da…“
Er bog in den Wald ein. Werner schaute auf die Uhr. Es war kurz nach fünf. Trotzdem war es schon verdammt dunkel hier im Wald. Die Sonne war inzwischen fast gänzlich hinter einem nebligen Film von Schleierwolken verborgen.
Die Luft war aufgeladen und schwül.
Etwas Elektrisches lag in ihr, wie immer, wenn ein Gewitter im Anmarsch war.
Es war eine Luft voller Verheißung, eine Luft, die aggressiv machte und gleichzeitig aufgeregte Erwartungen an das was bevorstand schürte.
Er mochte Gewitter und starken Regen. Er mochte es sogar, bei Gewitter und Starkregen im Wald zu sein, obwohl es wohl keinen unsichereren Ort gab.
Die Mischung aus Dunkelheit, Blitzen am Himmel und prasselnden Tropfen hatte seiner Auffassung nach etwas Gemütliches an sich. Eine Leidenschaft, die sicher nicht jeder mit ihm teilte. Allerdings fand er die Vorstellung bei weitem nicht so wildromantisch, in einem handelsüblichen PKW ohne Allradantrieb, wie diesem hier, zu sitzen, tief in den Wald zu fahren und dann nicht wieder heraus zu können, weil die Reifen knietief im Matsch versanken.
„Ich kann doch als Polizist nicht mit irgend so ´ner x-beliebigen Försterkarre ankommen. Wie unprofessionell ist das denn?“ hatte Christian gemeint. All seine Bearbeitungsversuche waren erfolglos geblieben, und nun fuhren sie eben mit einem Streifenwagen.
„Außerdem hab ich da ja Funk“ war sein Argument gewesen. Toll! Ein Funkgerät hab ich auch im Auto. Aber was soll´s. Ich diskutier nicht weiter, mach wie du meinst. Jetzt aber wünschte er sich, er hätte doch diskutiert, denn der VW-Passat schluckte die Bodenwellen und die am Boden liegenden Äste bei weitem nicht so locker, wie der Forester. Ehrlicherweise hätte er die Strecke von der Einfahrt bis jetzt (circa hundert Meter) als nahezu ebenen Weg beschrieben. Ein Trugschluss, wie er nun feststellte.
„Alter Verwalter, das Ding ruckelt aber ordentlich.“,
„Was hast du nur gegen mein Auto?“,
„Nichts. Solange ich
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