Per Saldo Mord
steckt Ernestine? Seit sie nicht mehr da ist, steht der ganze verdammte Laden auf dem Kopf. Holt sie zurück. Zahlt ihr meinetwegen das Doppelte; aber schafft sie um Himmels willen wieder her!<«
Ernestine sah mich an, und ihre Augen begannen vor Begeisterung zu strahlen. »Jetzt will ich Ihnen was verraten, Donald. Genau das hab’ ich mir manchmal auch gesagt. Aber dann hab’ ich mir’s wieder aus dem Kopf geschlagen, weil es mir so eingebildet und überheblich vorkam.«
»Blech. Sie müssen mehr Selbstvertrauen haben. Warum machen Sie nicht mal den Versuch?«
»Ganz recht, Donald, das werde ich auch. Ich hab’ mir Geld gespart. Für ein Weilchen kann ich es mir leisten, auf der faulen Haut zu liegen. Ich kündige — gleich morgen früh.«
»Halt, Schwester, nicht so hastig. So was will überlegt sein. In Ihrer Begeisterung sind Sie...«
»Nein, Donald. Überlegt hab’ ich’s mir schon so oft; aber mir fehlte der Mut zum Absprung. Und dann war mir auch nie so richtig klar, wie sehr ich es wünschte... o Donald!«
Sie warf mir beide Arme um den Hals und drückte mich mit aller Kraft an sich. Sie hatte viel von der Tollpatschigkeit eines Fohlens, und ihre Muskeln waren nicht von Pappe. Ich schnappte nach Luft und grinste sie an.
»Donald, Sie sind wundervoll! Ich werde Ihnen beweisen, daß Sie sich die richtige Mitarbeiterin ausgesucht haben. Sobald Bernice nach Hause kommt, werde ich den gesamten Hotelklatsch aus ihr herausholen. Ich werde nicht lockerlassen, das verspreche ich Ihnen.«
Ich hielt sie fest und tätschelte ihre Schulter. »Gutes Mädchen.«
Sie seufzte glücklich auf, schloß die Augen und lag ganz still in meinen Armen. Ich war genau im richtigen Moment gekommen. Sie hatte vermutlich seit Monaten unbewußt auf diese Krise hingearbeitet, und meine Worte hatten den letzten Anstoß gegeben. Jetzt hatte sie sich zum endgültigen Entschluß durchgerungen und schwebte im siebten Himmel.
Als ich sagte, es sei Zeit, daß ich mich auf den Weg machte und mir ein Nachtquartier suchte, ließ sie mich mit einem etwas beschämten Lachen los, stand auf und begleitete mich zur Tür. Sie erklärte, sie werde morgen im Büro anrufen und sich den Tag frei nehmen, um mir bei meinen Ermittlungen helfen zu können, und bei der Aussicht auf eine solche spannende Betätigung zitterte sie vor Aufregung.
Eine Viertelstunde später, kurz vor elf Uhr, begab ich mich in ein türkisches Bad, um da die Nacht zu verbringen. Es war möglich, daß die Polizei sämtliche Hotels nach mir durchkämmte. Aber ich hielt es für ausgeschlossen, daß sie auf die Idee käme, mich in einem türkischen Bad zu suchen. Ich gab vorschriftsgemäß meinen richtigen Namen und meine Adresse in Los Angeles an.
7
Am folgenden Morgen frühstückte ich in aller Ruhe und stärkte mich mit Fruchtsaft, Schinken und Rührei, Kaffee und heißen Pfannkuchen. Mir schwante, daß ich einen ereignisreichen Tag vor mir hatte, und deshalb hielt ich eine kräftige Grundlage für angebracht.
Eine Minute nach neun Uhr betrat ich das Fotostudio >Brillant<. Mr. Kisarazu, ein Männlein mit Hornbrille und blitzenden weißen
Zähnen, stürzte auf mich zu und erdrückte mich fast mit seiner Höflichkeit.
»Verzeihen Sie bitte das Versehen. Ich bin Takahaschi Kisarazu, der Geschäftsführer. Jemand hat Fotopapier auf Fußboden geworfen. Vielleicht aus dem Karton, den Sie gekauft haben. Ich verstehe nicht, aber ich bedauere so sehr. Entschuldigen Sie bitte.« Er verbeugte sich, lächelte und verbeugte sich wieder.
»Wir werden auf den Vorfall gleich zu sprechen kommen«, erwiderte ich. »Wo ist Ihr Partner?«
Takahaschi Kisarazu zeigte auf einen Japaner, der sich an einer Vitrine zu schaffen machte.
»Rufen Sie ihn her«, sagte ich.
Der Geschäftsführer rief etwas in seinem heimatlichen Idiom — es klang wie das Geknatter eines Maschinengewehrs —, und der andere kam herüber. Ich holte zwei Fotos von Evelyn Ellis aus meiner Brieftasche und hielt sie ihm unter die Nase. »Kennen Sie das Mädchen?«
Er betrachtete die Bilder mit hölzerner Miene. Ich sah rasch hoch. Takahaschi Kisarazu beobachtete ihn mit merkwürdig gespanntem Gesicht.
»Ich habe die Aufnahmen gemacht«, erklärte Kisarazu.
»Sicher. Ihr Name und der Firmenstempel auf der Rückseite sind ja nicht zu übersehen. Kennen Sie das Mädchen?«
»Gewiß. Hinter dem Laden ist Atelier für Porträtaufnahmen. Sie möchten sehen?«
»Kennen Sie das Mädchen?« wiederholte
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