Percy Jackson Bd. 5 Die letzte Göttin
Grover
einem stöhnenden Satyrn.
Ich fand Pollux, den Sohn des Dionysos. Er lehnte an einem
Baum und hatte den Arm gebrochen, ansonsten war er unversehrt.
»Aber mit der anderen Hand kann ich noch immer kämpfen«,
sagte er und knirschte mit den Zähnen.
»Nein«, sagte ich. »Du hast genug getan. Du bleibst jetzt hier und hilfst den Verwundeten.«
»Aber …«
»Versprich mir, dass dir nichts passiert«, sagte ich. »Okay? Mir zuliebe.«
Er runzelte verwirrt die Stirn, wir waren schließlich nicht gerade dicke Kumpel oder so. Aber ich wollte ihm auch nicht sagen, dass das eine Bitte seines Dads war, das würde ihn nur in Verlegenheit stürzen. Endlich versprach er es, und als er sich hinsetzte, konnte ich sehen, dass er doch irgendwie erleichtert war.
Annabeth, Grover und ich gingen weiter auf den Palast zu. Den
würde auch Kronos ansteuern. Sowie er das Fahrstuhlproblem
gelöst hätte – und das würde er zweifellos irgendwie schaffen –, würde er den Thronsaal zerstören, das Zentrum der Göttermacht.
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Ächzend öffneten sich die Bronzetüren. Unsere Schritte hallten auf dem Marmorboden wider. Die Sternbilder blinkten kühl an der Decke der riesigen Halle und das Herdfeuer war nur noch ein
trübes rotes Schwelen. Hestia, als kleines Mädchen in braunem
Gewand, hockte zitternd daneben. Der Ophiotaurus schwamm
traurig in seinem Wasserbecken und stieß ein halbherziges Muhen aus, als er mich entdeckte.
Im Licht der Glut warfen die Thronsessel boshaft aussehende
Schatten, wie zupackende Hände.
Am Fuße von Zeus’ Thron, den Blick nach oben zu den Sternen
gerichtet, stand Rachel Elizabeth Dare. Sie hielt ein griechisches Tongefäß in der Hand.
»Rachel?«, fragte ich. »Äh, was willst du denn damit?«
Sie schaute mich an, als ob sie soeben aus einem Traum
auftauchte. »Das habe ich gefunden. Das ist der Krug der Pandora, oder?«
Ihre Augen leuchteten mehr als sonst und mir drängte sich eine furchtbare Erinnerung an schimmelige Sandwiches und verkokelte Plätzchen auf.
»Bitte, stell den Krug weg«, sagte ich.
»Ich kann die Hoffnung darin sehen.« Rachel fuhr mit den
Fingern über das Keramikmuster. »So zerbrechlich.«
»Rachel!«
Meine Stimme schien sie in die Wirklichkeit zurückzureißen. Sie hielt mir den Krug hin und ich nahm ihn an mich. Der Ton fühlte sich eiskalt an.
»Grover«, murmelte Annabeth. »Wir sehen uns mal im Palast
um. Vielleicht finden wir noch irgendwo griechisches Feuer oder ein paar Hephaistos-Fallen.«
»Aber …«
Annabeth versetzte ihm einen Rippenstoß.
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»Alles klar«, wimmerte er. »Ich schwärme für Fallen!«
Sie zog ihn aus dem Thronsaal.
Am Feuer kauerte Hestia sich in ihren Gewändern zusammen
und wiegte sich hin und her.
»Komm«, sagte ich zu Rachel. »Ich möchte dir jemanden
vorstellen.«
Wir setzten uns neben die Göttin.
»Göttin Hestia«, sagte ich.
»Hallo, Percy Jackson«, murmelte die Göttin. »Es wird kälter.
Schwerer, das Feuer am Leben zu erhalten.«
»Ich weiß«, sagte ich. »Die Titanen rücken näher.«
Hestia schaute Rachel an. »Hallo, meine Liebe. Endlich bist du an unseren Herd gekommen.«
Rachel blinzelte. »Du hast mich erwartet?«
Hestia streckte die Hände aus und die Kohlen glühten. Ich sah
Bilder im Feuer: meine Mutter, Paul und ich zu Thanksgiving an unserem Küchentisch; meine Freunde und ich am Lagerfeuer im
Camp Half-Blood, wie wir sangen und Marshmallows rösteten.
Rachel und ich, die in Pauls Prius den Strand entlangfuhren.
Ich wusste nicht, ob Rachel dieselben Bilder sah, aber ihre
Schultern entspannten sich. Die Wärme des Feuers schien auf sie überzugreifen.
»Um deinen Platz am Herd einnehmen zu können«, sagte Hestia
zu ihr, »darfst du dich nicht ablenken lassen. Nur dann kannst du überleben.«
Rachel nickte. »Ich … ich verstehe.«
»Warte«, sagte ich. »Wovon redet sie da?«
Rachel holte zitternd Atem. »Percy, als ich hergekommen bin …
ich dachte, es wäre deinetwegen. Aber das stimmte nicht. Du und ich …« Sie schüttelte den Kopf.
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»Moment mal, bin ich neuerdings eine Ablenkung? Liegt das
daran, dass ich nicht der Heros oder sowas bin?«
»Ich bin nicht sicher, ob ich das in Worte fassen kann«, sagte sie. »Ich habe mich zu dir hingezogen gefühlt, weil du … weil du mir die Tür zu alldem hier geöffnet hast.« Sie zeigte auf den Thronsaal. »Ich musste meine wahre Gabe erkennen. Aber du und ich,
wir gehören nicht zusammen.
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