Percy Pumpkin (Bd.1) - Mord im Schloss
Schultern zuckte.
»Ach, die hänseln mich sowieso. Ich müsste schon so dünn sein wie Percy, um nicht dauernd Fleischklöpschen genannt zu werden.« Er schielte neidisch zu seinem Cousin hinüber. Percy bekam davon allerdings nichts mit. Er versuchte gerade, den schweren Picknickkorb auf die rechteSchulter zu hieven, als er plötzlich von seiner Last befreit wurde.
»John trägt ihn ab jetzt«, sagte Claire. »Der Gute muss was für seine schlanke Linie tun.«
John protestierte nur schwach, weil auch er sich vor seinen Cousinen nicht blamieren wollte. Allerdings begann er dafür wenige Minuten später so laut zu schnaufen und zu ächzen, dass Percy ihm schließlich zu Hilfe kam. Gemeinsam schleppten sie den Korb eine mit Reif überzogene Treppe hinauf, an zwei steinernen Löwen vorbei und einen nicht enden wollenden Weg zwischen kahlen Hecken entlang, der sich durch den Garten hinter dem Schloss schlängelte. Schließlich erreichten sie ein kleines Tor, an dem eine orangefarbene Warntafel angebracht war. Die Sonne war inzwischen aufgegangen, sodass Percy lesen konnte, was darauf stand: »Durchgang verboten!«
Claire öffnete es trotzdem. »Hunde, die bellen, beißen nicht«, sagte sie fröhlich.
Wenig später kamen sie zu einem weiteren Tor, das wesentlich größer und robuster aussah als das erste. Auch hier hing eine Warntafel mit der Aufschrift: »Durchgang strengstens verboten!«
Claire öffnete auch dieses Tor und ging unbekümmert den schmalen Pfad entlang, der links und rechts von mindestens drei Meter hohen Mauern begrenzt wurde. Aus der Mauerkrone ragten spitze Eisenstäbe empor, zwischen denen Stacheldraht gespannt war. In etwa so hatte sich Percy dasGefangenenlager in dem Roman
Der Unhold von der Toteninsel
vorgestellt. Er wollte seine Cousine gerade fragen, ob sie sich nicht doch lieber die Fabrik für die Würzsauce anschauen wollten, als Claire mit theatralischer Geste ein drittes Tor zur Seite schob. Wahrscheinlich hatte »Eintritt allerstrengstens verboten!« darauf gestanden, überlegte Percy.
»Ta-ta-ta-taaa«, machte Claire. »Und hier sehen Sie die berühmte Fabrik für Aunt Annie’s Worcestershire-Sauce. Kommen Sie! Staunen Sie!«
Percy staunte tatsächlich. Nie im Leben hätte er in der Nähe des eindrucksvollen Schlosses mit so einem hässlichen Bauwerk gerechnet! Nicht einmal das Versicherungsgebäude, in dem sein Vater arbeitete, sah derart trostlos und grau aus. Die dunklen Wände des massigen Quaders waren bis auf wenige vergitterte Scheiben fensterlos, und aus dem flachen Blechdach ragte ein dünner Schornstein in den Himmel, der aussah wie ein ausgestrecktes Spinnenbein.
»Bist du sicher, dass ihr hier etwas zu essen herstellt?«, fragte Percy. »Und nicht eher Sprengstoff oder Rattengift?«
»Allerdings«, sagte Claire und runzelte die Stirn. »Hier siehst du die Fabrik für die berühmteste Sauce der Welt, die der Sultan von Brunai genauso gern über seine Nachtigallenzungen träufelt wie die Mamas vorlauter Londoner Schuljungen auf deren Pausenbrote.«
Sie bedachte Percy mit einem durchdringenden Blick.
Finster dreinstarren konnten alle Darkmoors offenbar besonders gut, dachte Percy.
»Die Sicherheitsvorkehrungen sind leider notwendig, weil es schon mehrfach Versuche gegeben hat, in die Fabrik einzubrechen«, erklärte Linda.
»Jemand hat versucht, Aunt Annie’s Worcestershire-Sauce zu stehlen?«, fragte Percy ungläubig. Die Fläschchen gab es doch in jedem Lebensmittelgeschäft und besonders teuer waren sie auch nicht.
»Natürlich nicht, du Dummie«, sagte Claire. »Nicht die Sauce, sondern die
Zutaten
dafür.«
Percy verstand immer weniger.
»Was soll man denn mit den Zutaten für eine Würzsauce anfangen?«
»Ganz einfach. Herausfinden, wie diese Würzsauce hergestellt wird«, sagte Claire.
»Kein Mensch weiß, woraus das Zeug gebraut wird«, meinte John, der sich auf den Picknickkorb gesetzt hatte und sein Handgelenk massierte. »Das Rezept für die Sauce ist eins der am besten gehüteten Geheimnisse der Lebensmittelindustrie. Deshalb sind die Darkmoors auch reicher als die Queen. Weil keiner auf der Welt weiß, wie Aunt Annie’s Worcestershire-Sauce gebraut wird. Vor allem nicht die McMurdochs …«
Ein wütendes Bellen unterbrach Johns Vortrag. Es kam rasch näher und wenige Sekunden später bog ein Hund um die Ecke. Er war so groß wie ein Werwolf und seine Augen schienen Blitze in die Luft zu schießen. Vom Bellen hatte er Schaum vor dem Mund. John
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