Perdido - Das Amulett des Kartenmachers

schwarz behaarte Schlappohren, über den Pausbacken saßen zwischen Fettwülsten zwei blinzelnde Knopfaugen. Die kurze Schnauze mit den beiden bebenden, triefenden Nüstern war irgendwie plattgedrückt. Hugo hatte schon hübschere Tiere gesehen.
    »Na?«, hakte sein Retter nach.
    »Du erinnerst mich an … Na ja, in gewisser Hinsicht siehst du ein bisschen aus wie …«
    »Spuck’s schon aus.«
    »Na ja, du erinnerst mich irgendwie an ein Schwein!«
    Einen Augenblick herrschte Stille. Hatte er seinen Retter jetzt gekränkt?
    »So so, an ein Schwein, hm?«, sagte das Tier dann stolz. »Danke schön! Freut mich, dass du mich so hübsch findest.«
    »Also, ehrlich gesagt …« Hugo stockte.
    »Ach übrigens, wie heißt du eigentlich?«, fragte das Tier. Es schnaufte nun ganz ordentlich, und Hugo fand, dass seine Flügel nicht mehr ganz so kräftig schlugen.
    »Hugo. Und du?«
    »Pigasus. Freut mich sehr, dich kennenzulernen, Hugo. Du bist nicht zufällig einem mäuseähnlichen kleinen Burschen mit Riesenohren begegnet? Ich hatte ihn vor einer Weile hier sozusagen abgesetzt.«
    Hugo hatte seinen blinden Passagier ganz vergessen. »Mal überlegen …«, erwiderte er verschmitzt, langte in seine Tasche und kitzelte den warmen, flauschigen Bauch. Kurz darauf blinzelten Herkules’ Knopfaugen aus der Tasche hervor. »Na, wie läuft’s?«, erkundigte sich das Tierchen verschlafen.
    »Sieh selber nach.«
    Herkules streckte den Kopf weiter heraus und sah sich um. »Pigasus!«, rief er.
    »Herkules!« Pigasus wandte lächelnd den Kopf. »Ich dachte schon, ich hätte dich verloren.«
    »Hast du auch!«, erwiderte Herkules beleidigt.
    »Wenn ich mich recht entsinne, bist du von meinem Rücken gerutscht.«
    »Du hast mich abgeworfen.«
    »Ich habe gesagt, du sollst dich festhalten.«
    »Du hast aber nicht gesagt, dass du einen Looping fliegen willst.« Herkules huschte Hugos Arm hoch und hockte sich auf seine Schulter. »Zum Glück hat mich mein Freund Hugo gerettet.«
    »Und ich habe Hugo gerettet«, sagte Pigasus. »Damit habe ich im Grunde auch dich gerettet.«
    »Dann seid ihr ja jetzt quitt«, mischte sich Hugo ein.
    Herkules und Pigasus wechselten einen finsteren Blick, dann sprang Herkules auf Pigasus’ Kopf.
    »Ich verzeihe dir«, verkündete er und kraulte seinen Freund hinterm Ohr.
    »Entschuldigung angenommen«, erwiderte Pigasus wohlig grunzend. »Dann wollen wir uns mal auf den Heimweg machen.«
    »Äh … wo fliegen wir eigentlich hin?«, erkundigte sich Hugo.
    »Zu ein paar Freunden auf der anderen Seite der Insel«, erteilte ihm Pigasus Auskunft. »Wegen der Skavagoren brauchst du dich nicht zu beunruhigen – die können tagsüber nicht fliegen, weil die Sonne sie ihrer Kräfte beraubt. Du kannst also in aller Ruhe die Aussicht genießen.«
    Pigasus stieg immer höher in den Morgenhimmel empor. Hugo hielt sich fest und betrachtete die Landschaft unter sich.Draußen auf dem Meer konnte er hinter der Nebelwand die vor Anker liegende El Tonto Perdido erkennen. Beziehungsweise erkannte er die schwankende Mastspitze. Ob Hawkeye sie wohl vom Mastkorb aus beobachtete? Aber aus dieser Entfernung glich Pigasus wahrscheinlich einem ganz gewöhnlichen Vogel.
    Als sie nach einer Kurve landeinwärts flogen, stellte Hugo fest, dass der Boden hinter dem Rand der Klippe abfiel wie ein Tellerrand. Überall wuchs üppig grünes Gras und Hugo musste an grünen Samt denken. Dann flogen sie über einen dichten, kreisrunden Wald, der die halbe Insel einnahm.
    »Das ist der Hedderwald«, verkündete Pigasus, der schnaufte und schwitzte, während die Bäume unter ihm vorbeiglitten. »Wenn du hier runterfällst, rechne lieber nicht damit, dass ich dich suchen komme.«
    »Ist der Wald denn gefährlich?«
    »Nein, es ist ein herrliches Fleckchen, wenn man mal richtig ausspannen will«, antwortete Pigasus.
    »Im Ernst?«
    »Quatsch!«, grunzte Pigasus. »Das war ironisch gemeint. Dort hausen die fiesesten, tückischsten und grausamsten Bewohner unserer Insel, zehn Mal bösartiger als die Skavagoren. Wer sich da reinwagt, kommt nicht mehr lebendig raus. Nicht für alles matschige Obst der Welt würde ich einen Fuß hineinsetzen.«
    »Aha.« Daraufhin hielt sich Hugo noch besser fest.
    Als der Wald hinter ihnen lag, keuchte Pigasus stoßweise, und seine Flügelchen erlahmten zusehends. Da sie nicht mehr so rasend schnell schwirrten, konnte Hugo das schwarz-goldene Gefieder erkennen.
    »Alles klar?«, fragte er und tätschelte Pigasus sacht