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Perdido - Im Bann des Vampirjägers

Perdido - Im Bann des Vampirjägers

Titel: Perdido - Im Bann des Vampirjägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Seil spannte, blieb er stehen und wartete, bis Hugo zu ihm aufgeschlossen hatte, dann ging er weiter.
    Hugo drehte sich um. Kristall tappte unverdrossen durch den Schnee, Herkules thronte auf ihrem Rücken wie ein stolzer Ritter. Dann ging ein Ruck durch das Seil.
    Hugo schaute wieder nach vorn. Lupus war verschwunden.
    Plötzlich entdeckte Hugo einen klaffenden Spalt im Boden. Pulverschnee rieselte hinein, wie Sand durch eine Sanduhr rinnt.
    Das Seil glitt in den Spalt wie eine Schlange. Schlaufe um Schlaufe rutschte von Hugos Schulter.
    Hugo blickte sich verzweifelt nach seinen anderen beiden Gefährten um.
    »Wo ist denn Lupus hin?«, fragte Herkules verwundert.
    Flupp, flupp, flupp entrollte sich das Seil.
    Es war schon beinahe straff gezogen. Lupus’ Gewicht würde Hugo ebenfalls in den Abgrund ziehen. Wenn er sich rasch losband, blieb wenigstens einer von ihnen beiden unversehrt.
    Flupp, flupp.
    Hugo warf sich zur Seite und schlang das Seil zwei Mal um einen Eisbrocken. Er stemmte die Füße gegen den Eisbrocken, drückte die Knie durch und lehnte sich zurück wie beim Tauziehen.
    Mit einem Peitschenknall zog sich das Seil straff. Aus dem Gletscherspalt erscholl ein jaulendes Ächzen. Der Eisbrocken rutschte ein Stückchen auf den Spalt zu … dann verkeilte er sich auf dem unebenen Boden und bewegte sich nicht mehr.
    Hugo spürte, wie ihm das Seil Zentimeter für Zentimeter durch die Hände rutschte, aber er konnte nichts dagegen unternehmen.
    Lupus hing kopfüber und schaute auf eine senkrecht ins Bodenlose abfallende Eiswand. Noch hielt ihn das Seil um seine knochigen Hüften, aber er spürte, dass es nachgab. Mit einem Mal fiel er. Die Seilschlinge war über seine Hüftknochen geglitten und er stürzte in den Abgrund.
    Hugo plumpste auf den Rücken, als mit einem Mal nichts mehr am anderen Ende des Seils hing. Dann zog sich das Seil wieder straff, und das mit solcher Wucht, dass es Hugo umriss. Er prallte so unsanft gegen den Eisklotz, dass ihm die Luft wegblieb.
    Lupus baumelte inzwischen an den Knöcheln in der Gletscherspalte. Das Seil hatte sich an seinen Riesenfüßen verfangen.
    Hugo war in das Seil eingewickelt und wurde wie ein Schnitzel an den Eisblock gedrückt.
    Herkules sprang von Kristalls Rücken und flitzte zu seinem Freund hinüber.
    »Keine Angst, Hugo!«, rief er, grub heldenhaft die Krallen in das Seil und stemmte sich mit den Hinterpfoten gegen den Eisbrocken. »Ich hab dich im Handumdrehen befreit!«
    Der Mäuserich lehnte sich zurück, zerrte aus Leibeskräften an dem widerspenstigen Seil und schnitt vor Anstrengung Grimassen. Das Seil gab keinen Millimeter nach.
    Kristall legte sich auf den Bauch, robbte an den Rand der Gletscherspalte und spähte in die Tiefe. »Er hängt verkehrt herum!«, informierte sie Hugo im Flüsterton. »Weißt du noch, wie ich vorhergesagt habe, dass auf einmal alles verdreht ist und ihr feststellen müsst, dass ein Verbündeter oder guter Freund in Wahrheit euer Todfeind ist?« Sie zuckte anmutig die schlanken Schultern. »Vielleicht hat ja über Nacht ein Vampir Lupus’ Gestalt angenommen.«
    »Um welchen Arm trägt er denn die rote Binde?«, fragte Herkules.
    »Ich seh mal nach.« Kristall schob sich vorsichtig noch näher an den Abgrund heran. »Alles in Ordnung, Lupus?«
    »Kann nicht klagen, danke der Nachfrage«, lautete die Antwort, aber es klang unfroh.
    Kristall wandte den Kopf. »Ich kann’s nicht erkennen. Seine Arme hängen noch unter seinem Kopf.«
    »Ich lasse ihn auf keinen Fall los«, verkündete Hugo ächzend. »Wir müssen zusammenhalten.«
    »Und wenn er dich mit hinunterzieht? Du riskierst viel zu viel für jemanden, der womöglich dein Todfeind ist.«
    Herkules ließ das Seil ein bisschen los. »Verzeih das offene Wort, aber da wir jetzt Freunde sind, muss ich dich doch davon in Kenntnis setzen, dass deine Vorhersagen ungefähr so oft insSchwarze treffen wie ein bogenschießendes Flatterschwein in einem stockfinsteren Wald.«
    »Und wenn ich diesmal doch recht habe?«, fragte Kristall leise.
    Da drang Lupus’ matte Stimme aus dem Abgrund. »Tut mir echt leid, dass ich euch immerzu aufhalte. Ich glaube, es ist für uns alle am besten, wenn ihr das Seil einfach durchschneidet und ohne mich weiterzieht.«
    Herkules lachte spöttisch. »Ein bösartiges Ungeheuer würde ja wohl kaum so etwas vorschlagen, oder, Kristall?«
    »Na schön, vielleicht habe ich mich geirrt.« Kristall ging zu Herkules und Hugo und packte ebenfalls das Seil.

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