Perdido - Im Bann des Vampirjägers
bald.«
»Und was soll der Quatsch mit den Steinchen?«
Walter warf einen Blick auf die kleinen Steine, die er im Schnee ausgelegt hatte. »Ich mache mir nur klar, wo es langgeht«, log er. »Ich wollte feststellen, ob zwischen den einzelnen Abschnitten unserer Reise ein Zusammenhang besteht. Der Stein hier bezeichnet unseren Aufbruch in Lovdiv, der hier den Ort, wo wir die Grenze nach Dämonien überquert haben, und der hier die Stelle, wo das Kannibalische Killguru Billy Blut gefressen hat.«
Jake schien nicht überzeugt. »Wenn hier Lovdiv ist und hier die Grenze nach Dämonien, müsste Billy dann nicht hier gestorben sein?« Er deutete mit dem Wurstfinger auf eine Stelle, die ein Stück von dem dritten Steinchen entfernt war.
Walter war zugleich überrascht und erschrocken, dass Jake anscheinend mehr von grundlegender Geometrie verstand als vom Lesen.
»Wenn ich den üblichen Verkleinerungsmaßstab für die Entfernungen angewandt hätte, hättest du natürlich recht«, schwindelte er. »Aber wir Kartenzeichner bevorzugen oft den verzwickteren, äh … Lügnar-Kopfap-Maßstab, der nach den bayerischen Kartografen Klaus von Lügnar und Ludwig Kopfap benannt ist. Damit lassen sich Gebirgszüge auf ebenem Boden besser darstellen. Sehr nützlich, so was.«
Der kleine Jake musterte Walter argwöhnisch.
Walter schluckte schwer und rang sich ein Lächeln ab.
»Ist ja auch wurscht«, sagte der kleine Jake schließlich. »Jedenfalls können wir nicht die ganze Nacht in dieser Schneehöhle rumhocken. Auf geht’s!« Er versetzte Walter einen Stiefeltritt in den Hintern.
Walter stand auf und drückte dabei unauffällig einen letzten Stein in den Schnee. Dann verließen die beiden Männer ihren Unterschlupf und stapften weiter den tückischen Abhang hinunter.
37. Kapitel
L
upus trug Hugo Huckepack, bis es hell wurde. Dann machten sie eine Pause und aßen einen Happen. Hugo saß über sein Notizbuch gebeugt und ließ den verletzten Fuß vorsichtig kreisen. Er trug Ursas Rachen auf seiner Karte ein und zeichnete den Grässlichen Gokilla, wie er an der Felswand hing. Unten ins Tal zeichnete er einen Kopf.
»Noch fünf Meilen«, verkündete er, nachdem er die Kiesel in seiner Hand gezählt hatte. »Wenn wir Mephisto bis heute Nacht nicht aufgestöbert haben, verwandelt sich Marcello ein für alle Mal in einen Vampir.«
»Worauf warten wir dann noch?« Herkules tänzelte tatendurstig auf der Stelle. »Los geht’s. Du trägst mich auf der Schulter.«
»Mit seinem verstauchten Fuß sollte Hugo erst einmal überhaupt nichts tragen«, wandte Kristall ein.
»Ich kann seinen Tornister und den Wasserbeutel nehmen«, bot Lupus an.
»Und ich?«, fragte Herkules.
»Du bist zu klein, um etwas zu tragen«, miaute Kristall.
»Ich meinte doch, wer trägt mich ?«
Kristall streichelte ihn mit der Pfote. »Armes Kleinchen. Soll ich dich auf den Rücken nehmen?«
»Du?« Herkules stellte entsetzt die Ohren auf. »Lieber wate ich durch schnurrhaartiefen Schnee!«
»Bitte sehr. Ganz wie’s beliebt.«
»Andererseits … nun gut, ich bin für dieses eine Mal bereit, meinen Grundsätzen untreu zu werden. Wahrscheinlich fühlst du dich sicherer, wenn ich in deiner unmittelbaren Nähe bin.«
»Du bist mein Held, Herkules«, erwiderte Kristall in gespielter Bewunderung, »wie kann ich dir nur danken!«
Herkules vollführte eine angedeutete Verbeugung, dann flitzte er am Bein der Katze hoch und machte es sich in ihrem dichten, weichen Schulterpelz bequem.
Hugo sagte belustigt: »Ihr gebt ein schönes Paar ab, ihr beide.«
Ihr Weg führte sie ein paar Meilen sanft bergab, dann stieg er auf einmal wieder an, erst ganz allmählich, dann immer steiler. Bald balancierten sie einen schmalen, mit vereisten Gesteinsbrocken übersäten Grat entlang.
Hugo rutschte aus, fiel hin und krallte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht in den harschen Schnee. Eine kleine Gerölllawine polterte in den Abgrund. Man vernahm keinen Aufprall. Lupus packte Hugo am Ellbogen und half ihm wieder auf.
»Ich will ja nicht aufdringlich sein«, sagte der wilde Mann, »aber es wäre vielleicht ganz gut, wenn wir beide uns mit deinem Seil aneinanderbinden. Wenn einer von uns mal ausrutscht, kann ihn der andere halten und wieder hochziehen.«
Hugo war klar, dass mit »einer von uns« er gemeint war, und er war dankbar, dass sich Lupus so taktvoll ausdrückte.
Hugo und Lupus banden sich jeder ein Seilende um den Leib, Lupus übernahm die Führung. Wenn sich das
Weitere Kostenlose Bücher