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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Experimente zu versorgen.
    Stinkendes, pissgelbes Wasser schwappte über den Wannenrand, als Sil sich zu Isaac herumwälzte.
    »Was darf’s sein?«, blaffte er.
    »Kingpin.«
    Isaac schnippte ihm einen Heller in die aufgehaltene Hand. Sil griff eine Flasche aus dem Regal hinter sich und stellte sie auf die Theke. Isaac nahm einen Schluck von dem billigen Bier und ließ sich auf einem Stuhl nieder. Er verzog das Gesicht, als er eine zweifelhafte Flüssigkeit durch die Sitzfläche seiner Hose dringen fühlte.
    Sil machte es sich in seiner Wanne bequem. Ohne Isaac anzuschauen, begann er eine einsilbige, belanglose Unterhaltung über das Wetter, über das Bier. Das übliche Ritual. Isaac sagte eben genug, um das Gespräch in Gang zu halten.
    Auf der Theke standen mehrere primitive Figuren, aus Wasser, das vor seinen Augen in dem alten, porösen Holz versickerte. Zwei andere lösten sich auf, verloren die Konsistenz und wurden zu kleinen Pfützen. Sil schöpfte gelangweilt eine weitere Hand voll aus seiner Wanne und begann zu modellieren. Das Wasser ließ sich bearbeiten wie Ton und behielt die Form, die Sil ihm gab. Partikel von dem Dreck und Speck aus der Wanne trieben im Innern dahin. Sil drückte der Figur ein Gesicht ein, machte eine Nase und modellierte Beine wie kleine Würste. Er stellte den fertigen Homunculus vor Isaac hin.
    »Warst du darauf aus?«, fragte er.
    Isaac trank die Flasche leer.
    »Wohlsein, Sil. Weiß es zu schätzen.«
    Sehr behutsam pustete er gegen die kleine Statue, bis sie rücklings in seine zusammengelegten Hände kippte. Sie schwabbelte ein wenig, doch er fühlte, dass die Oberflächenspannung stabil blieb. Sil beobachtete mit zynischem Lächeln, wie Isaac sich beeilte, die Figur nach draußen und in sein Labor zu retten.
    Der Wind hatte aufgefrischt. Isaac krümmte die Schultern um seinen Schatz und ging eilig die kleine Gasse hinauf, die Das Sterbende Kind mit Paddler Way und seinem Werkstatt-Zuhause verband. Er drückte mit dem Allerwertesten die grüne Tür auf und schob sich rückwärts hindurch. Isaacs Laboratorium war ursprünglich eine Fabrik und Lagerhalle gewesen, und auf der riesigen staubigen Grundfläche wirkten die kleinen Arbeitstische und Retorten und Tafeln in den gegenüberliegenden Ecken verloren. Aus beiden Raumhälften ertönten Begrüßungsrufe. David Serachin und Lublamai Dadscatt – wissenschaftliche Freigeister wie Isaac, mit denen er sich den Platz und die Miete teilte. David und Lublamai nutzten das Erdgeschoss, jeder hatte sich mit seinen Utensilien in einer Ecke eingerichtet, getrennt durch vierzehn Meter Niemandsland. Eine reparierte Wasserpumpe ragte in der Mitte zwischen ihren beiden Revieren aus dem Boden. Das mechanische Faktotum, das ihnen gemeinsam gehörte, rollte feudelnd durch die Halle, mit viel Getöse und wenig Wirkung. Sie behalten das nutzlose Ding aus reiner Sentimentalität, dachte Isaac.
    Isaacs Wirkungsstätte, seine Küche und sein Bett, befanden sich auf der enormen umlaufenden Galerie, die in halber Höhe an den Wänden entlangführte. Sie war fast sieben Meter breit und mit einem wackeligen Holzgeländer gesichert, das wunderbarerweise immer noch hielt, seit Lublamai es zusammengezimmert hatte.
    Die Tür fiel hinter Isaac dröhnend ins Schloss, zur sichtlichen Erschütterung des mannshohen Spiegels daneben. Kaum zu glauben, dass das Ding nicht in Scherben fällt, dachte Isaac. Wir müssen ihn unbedingt woandershin hängen. Wie gewöhnlich war der gute Vorsatz kaum gefasst, schon vergessen.
    David lachte, als ihm auffiel, wie Isaac, der drei Stufen auf einmal nehmend die Treppe hinaufsprang, krampfhaft die Hände zusammenhielt.
    »Wieder eins von Silchristcheks erlesenen Kunstwerken?«, rief er.
    Isaac grinste zurück. »Keiner soll mir nachsagen, dass ich nicht nur das Beste sammle!«
    Da er derjenige war, der vor Jahren das Lagerhaus entdeckt hatte, hatte er natürlich das Recht der freien Platzwahl beansprucht und guten Gebrauch davon gemacht. Bett und Herd und Nachtgeschirr standen in einer Ecke der Empore, am anderen Ende derselben Seite türmten sich die klobigen Auswüchse seines Labors. Glas- und Steingutbehälter mit extravaganten Mixturen und gefährlichen Chymikalien reihten sich auf den Borden. Heliotypen von Isaac und seinen Freunden, in verschiedenen Posen vor diversen Sehenswürdigkeiten der Stadt und im Rudewood, klebten an den Wänden. Die Lagerhalle grenzte mit der Rückseite an die Umber Promenade, ihre Fenster gingen

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