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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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auf den Canker und Bonetown am jenseitigen Ufer hinaus und boten einen prachtvollen Ausblick auf die Rippen und die Kelltree-Bahn.
    An diesen hohen Bogenfenstern vorbei lief Isaac zu einer esoterischen Maschine aus poliertem Messing. Es war ein dicht verschlungenes Knäuel aus Rohren und Okularen, Thermometer und Druckanzeiger hingeklemmt, wo gerade Platz war. Jedem einzelnen Gegenstand war unübersehbar der Hinweis aufgestempelt: EIGENTUM DER UNIVERSITÄT NC, FB PHYSIK. NICHT ENTFERNEN.
    Isaac sah mit Erleichterung, dass der kleine Kessel im Herzen der Maschine nicht ausgegangen war. Er warf eine Hand voll Kohle nach und schloss die Tür, dann platzierte er Sils kleine Statue auf einem Teller unter einem Glassturz und betätigte einen darunter befindlichen Blasebalg. Luft wurde herausgesaugt und durch Gas ersetzt, das aus einem dünnen Lederschlauch strömte.
    Isaac entspannte sich. Es war ihm gelungen, die Lebensdauer der Vodyanoi-Wasserskulptur um einiges zu verlängern. Außerhalb von Vodyanoihänden, unberührt von anderen, hielten solche Arbeiten vielleicht eine Stunde, bevor sie langsam wieder in den natürlichen Zustand des Stoffes zurückkehrten, aus dem sie geschaffen waren. Machte man sich an ihnen zu schaffen, beschleunigte man den Auflösungsprozess, in einer Umgebung aus Edelgas wurde er verlangsamt. Ihm blieben ungefähr zwei Stunden Zeit für seine Untersuchungen.
    Isaacs Interesse an der Wasserkræft der Vodyanoi war auf Umwegen geweckt worden, im Zuge seiner Beschäftigung mit der Vereinheitlichen Feldtheorie. Er hatte sich gefragt, ob die Kraft, mit der die Vodyanoi Wasser modellieren konnten, etwas mit jener kohärenten Kraft zu tun haben könnte, an der er interessiert war: Die Kraft, die unter bestimmten Bedingungen Materie zusammenhielt, während sie in veränderter Situation eine heftige Abstoßungsreaktion bewirkte. Was geschah, war typisch für den Verlauf von Isaacs Arbeit: Ein Nebenzweig seines eigentlichen Projekts entwickelte Eigendynamik und wurde zu einer intensiven, aber fast immer kurzlebigen Besessenheit.
    Isaac justierte einige Okulare und entzündete einen Gasbrenner, um die Wasserskulptur zu beleuchten. Die allgemeine Unwissenheit in Bezug auf Wasserkræft ärgerte ihn. Wieder so ein Fall, der einem zu Bewusstsein brachte, dass ein großer Teil der populären Wissenschaft einfach Schrott war, »Analyse« oft nicht mehr als Beschreibung – häufig schlechte Beschreibung –, die sich mit vernebelndem Geschwafel tarnte. Sein bevorzugtes Beispiel aus dieser Kategorie stammte aus Benchamburgs Hydrophysiconometrica, die als Lehrbuch in höchstem Ansehen stand. Er hatte beim Lesen aufgeheult, die Passage Wort für Wort abgeschrieben und an die Wand genagelt.
    Die Vodyanoi, vermittels dessen, was sie ihre Wasserkræft nennen, vermögen die Formbarkeit von Wasser und dessen Oberflächenspannung derart zu manipulieren, dass es für eine begrenzte Spanne Zeit jede Gestalt beibehält, die der Kræfter ihm zu geben wünscht. Dies wird erreicht durch der Vodyanoi Anwendung eines hydrokohärenten/aquamorphischen Kraftfelds von geringer diachronischer Ausdehnung.
    In anderen Worten, Benchamburg wusste ebenso wenig, auf Grund welcher physikalischen Kapriolen Wasser in den Händen der Vodyanoi zu Wachs wurde, wie Isaac oder irgendein Gassenjunge oder Silchristchek selbst.
    Isaac betätigte mehrere Hebel, platzierte etliche Objektträger und schickte verschiedenfarbiges Licht durch die Figur, deren Konturen bereits zu zerfließen begannen. Der Blick durch ein stark vergrößerndes Okular zeigte ziellos schwänzelnde Mikroorganismen in der Flüssigkeit. Die eigentliche Struktur des Wassers war völlig unverändert, es hatte lediglich das Bestreben, einen anderen Raum als den ihm gemäßen einzunehmen.
    Er fing das Sickerwasser auf, das durch einen Riss in der Platte tropfte, um es später zu analysieren, obwohl er von vorhergegangenen Versuchen wusste, dass davon keine Aufschlüsse zu erwarten waren.
    In den folgenden Minuten unterwarf er die Wasserskulptur diversen Experimenten, stach mit einer Spritze hinein und saugte etwas von der Flüssigkeit ab, machte heliotropische Aufnahmen aus verschiedenen Blickwinkeln, pumpte kleine Luftblasen hinein, die aufstiegen und am Scheitel herausplatzten. Schließlich brachte er sie zum Kochen und schaute zu, wie sie sich in Dampf auflöste.
    Irgendwann kam Guteseele, Davids Dachs, und schnüffelte an seiner herabhängenden Hand. Er streichelte das Tier

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