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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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eine eiserne Selbstbeherrschung. Er zuckte nicht bei den gequälten Schreien, die den Worten des Botschafters folgten. Und er gestattete sich nicht die geringste Beunruhigung, als, während er den Botschafter anschaute, dessen menschliche Gestalt flackerte und durch – etwas anderes ersetzt wurde.
    Er kannte dieses Phänomen von früheren Zusammenkünften. Jedes Mal, wenn er blinzelte, sah er für diese hundertstel Sekunde zwischen zwei Lidschlägen das Zimmer und den Mann darin völlig verändert: das Innere eines Käfigs, sich wie Schlangen windende Gitterstäbe, Entladungen unvorstellbarer Energien, ein Mahlstrom aus waberndem Hitzeglast; wo der Botschafter saß, eine monströse Gestalt: eine Hyäne starrte ihn an, fletschte grinsend die Zähne. Hufe und Krallen.
    Die schale Luft im Zimmer erlaubte ihm nicht, die Augen offen zu halten, er musste zwinkern. Er ignorierte die irritierenden Visionen. Er begegnete dem Botschafter mit vorsichtigem Respekt. Die gleiche Attitüde legte der Dæmon ihm gegenüber an den Tag.
    »Botschafter, ich bin aus zwei Gründen hier: Einmal, um Ihrem Souverän, Seiner Diabolischen Majestät, dem Zaren der Hölle, die respektvollen Grüße der Bürger von New Crobuzon zu überbringen. Ohne deren Wissen.« Der Botschafter dankte mit einem verbindlichen Nicken. »Zum anderen, um Ihren Rat einzuholen.«
    »Es ist mir stets ein großes Vergnügen, unseren Nachbarn zu helfen, Bürgermeister. Insbesondere solchen wie Ihnen, mit denen seine Majestät so außerordentlich gute Beziehungen unterhält.« Der Botschafter rieb sich geistesabwesend das Kinn und wartete.
    »Zwanzig Minuten, Bürgermeister«, zischte Vansetty Rudgutter ins Ohr.
    Rudgutter legte die flachen Hände zusammen wie im Gebet und betrachtete den Botschafter sinnend. Er spürte den Anprall kleiner Energiewellen.
    »Sehen Sie, Botschafter, wir haben ein Problem. Wir haben Grund zu der Vermutung, dass es einen – einen Ausbruch gegeben hat, um es einmal so auszudrücken. Etwas ist unserem Gewahrsam entflohen, das wir dringend wieder einzufangen wünschen. Dafür erbitten wir Ihre Unterstützung.«
    »Worum genau geht es, Bürgermeister? Ehrliche Antworten? Die üblichen Bedingungen?«
    »Ehrliche Antworten und vielleicht mehr. Wir werden sehen.«
    »Bezahlung gleich oder später?«
    Rudgutter schüttelte milde den Kopf. »Botschafter, Ihr Gedächtnis lässt Sie momentan im Stich. Ich habe noch zwei Fragen gut.«
    Der Botschafter starrte ihn einen Moment wortlos an, dann lachte er. »In der Tat, Bürgermeister, Sie haben Recht. Bitte vielmals um Vergebung. Fahren Sie fort.«
    »Sind zur Zeit irgendwelche Regeln abseits des Üblichen zu beachten?«, fragte Rudgutter bedeutungsvoll.
    Der Dæmon schüttelte den Kopf (große Hyänenzunge schlenkert hin und her) und lächelte. »Wir haben Melluary. Die normalen Regeln für Melluary. Sechs Worte von hinten nach vorn.«
    Rudgutter nickte. Er sammelte sich, überlegte angestrengt. Ich muss die richtigen Worte finden, dachte er. Ein verdammt kindisches Spielchen … Dann sprach er schnell und sicher und schaute dem Botschafter dabei fest in die Augen.
    »Vermuten wir was verloren wir haben?«
    »Ja«, antwortete der Dæmon prompt.
     
    Rudgutter schaute sich kurz nach Stem-Fulcher und Rescue um. Sie nickten mit grimmigen Mienen.
    Er wandte sich wieder dem Botschafter zu. Ihre Blicke trafen sich wie Schwerter.
    »Fünfzehn Minuten«, zischte Vansetty.
    »Einige meiner – konservativeren Kollegen würden mich schief ansehen, weil ich Ihnen das unterschlagene Komma durchgehen lasse«, meinte der Botschafter. »Aber ich bin liberal.« Er lächelte. »Möchten Sie nun Ihre letzte freie Frage stellen?«
    »Ich denke nicht, Botschafter. Ich werde sie mir für eine andere Gelegenheit aufheben. Stattdessen habe ich eine Bitte.«
    »Nur heraus damit.«
    »Nun, Sie wissen, welche Art von Wesen uns entkommen sind, und Sie verstehen, dass wir bemüht sind, die Situation so rasch wie möglich zu bereinigen.« Der Botschafter nickte. »Sie verstehen auch, dass es schwierig ist und dass uns die Zeit davonläuft … Ich möchte bitte, dass Sie uns einige Ihrer – äh – Truppen zur Verfügung stellen, um unsere Flüchtlinge wieder einzufangen.«
    »Abgelehnt«, sagte der Botschafter schlicht.
    Rudgutter zwinkerte. »Wir haben noch nicht einmal über die Bedingungen gesprochen. Seien Sie versichert, ich kann Ihnen ein überaus großzügiges …«
    »Ich fürchte, es bleibt dabei. Wir können Ihnen in

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