Perdido Street Station 01 - Die Falter

Vize.
    Rescue nestelte an seinem Schal, er nickte langsam. »Der Botschafter. Und ich hoffe, es bleibt dabei.«
    »Wie wir alle«, nickte Rudgutter. »Wie wir alle.«
     
    Zwischen dem elften und vierzehnten Stock des Mandragora-Flügels der Perdido Street Station, über einer der weniger frequentierten Geschäftspassagen – hauptsächlich alte Tuche und exotische Batiken – und unter einer Reihe seit langem unbemannter Zinnen, befand sich die diplomatische Zone.
    Viele der Konsulate in New Crobuzon residierten anderswo, in barocken Villen in Nigh Sump oder East Gidd oder Flag Hill, doch einige hatten ihre Amtsräume hier im Bahnhof, und das genügte, um diesen Stockwerken ihren Namen zu geben.
    Der Mandragora-Flügel war fast eine autarke Festung. Seine Flure bildeten ein großes Betonrechteck um ein zentrales Atrium, an dessen Grund sich ein verwilderter Garten befand, zugewachsen mit Teerholzbäumen und exotischen Waldblumen. Kinder tollten die Pfade entlang und spielten in diesem geschützten Park, während die Eltern einkauften oder reisten oder arbeiteten. Ringsum ragten himmelhoch die Mauern auf; von oben betrachtet sah der Park aus wie Moos am Grund eines Brunnenschachts.
    Von den Korridoren in den oberen Etagen zweigten ganze Zimmerfluchten ab. Viele waren irgendwann Büros der Verwaltung gewesen, hatten kurze Zeit als Sitz dieser oder jener kleinen Firma gedient, standen dann lange Jahre leer, bis man den Mief und Dreck hinausexpedierte und diplomatische Vertretungen einzogen. Das war vor ungefähr zwei Jahrhunderten gewesen, als die Regierungen der Länder von Rohagi von der gemeinsamen Einsicht ergriffen wurden, dass Diplomatie besser sein könnte als Krieg.
    Schon lange vorher hatte es das ein oder andere Konsulat in New Crobuzon gegeben, aber nachdem die Zerstörung von Suroch den blutigen Schlusspunkt hinter die Piratenkriege – auch genannt der Langsame Krieg oder der Falsche Krieg – gesetzt hatte, hatte sich die Zahl der Regierungen, die Konfliktlösungen am runden Tisch suchten, enorm vervielfacht. Botschafter vom anderen Ende des Kontinents und darüber hinaus, suchten um Akkreditierung nach. Die leer stehenden Etagen des Mandragora-Flügels wurden überlaufen von Neuankömmlingen sowie von bereits länger bestehenden Vertretungen, die in ihre alten Büros zurückkehrten, um am Puls des Geschehens zu sein und auf dem sich bevölkernden diplomatischen Parkett einen guten Platz zu ergattern.
    Schon beim Verlassen von Aufzug oder Treppenhaus in den Etagen der Zone musste man eine Vielzahl von Sicherheitskontrollen über sich ergehen lassen. Die Flure waren kalt und still, gesäumt von wenigen Türen und von mit halber Flamme brennenden Gaslampen ungenügend erleuchtet.
    Rudgutter und Rescue und Stem-Fulcher marschierten durch die verlassenen Korridore im zwölften Stock, sie waren in Begleitung eines kurzbeinigen, drahtigen Mannes mit dicker Brille, der ihnen im Dauerlauf folgte, ohne sie wirklich einholen zu können, und sich mit einem riesigen Koffer abschleppte.
    »Eliza, MontJohn«, stellte Bürgermeister Rudgutter beim Gehen vor, »das ist Bruder Sanchem Vansetty, einer unserer fähigsten Nigromanten.« Rescue und Stem-Fulcher nickten grüßend. Vansetty würdigte sie keines Blicks.
    Nicht jedes Büro in der diplomatischen Zone war besetzt, aber gravierte Messingplatten an der Tür erklärten sie zum Territorium dieses oder jenes Landes – Tesh, Kadoh, Garcheltist – und dahinter lagen mehrstöckige Gesandtschaften, selbstständige Einheiten im Rahmen des Komplexes. Einige standen, obzwar mit Beschlag belegt, leer. Der Tradition von Tesh gemäß, zum Beispiel, lebte der Botschafter als Stadtstreicher in New Crobuzon und führte seine Geschäfte per Post. Rudgutter würde ihn nie persönlich kennen lernen. Andere Botschaften waren aus Mangel an finanziellen Mitteln oder Interesse unbesetzt.
    Doch ein großer Teil der hier abgewickelten Geschäfte war von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit. Die Büros der Konsulate von Myrshock und Vadaunk waren vor einigen Jahren vergrößert worden; man brauchte Raum für die wachsenden Aktenberge, aber auch für die Abteilung Handelsbeziehungen. Die angebauten Räumlichkeiten wölbten sich wie hässliche Geschwüre aus der inneren Mauer des elften Stocks halsbrecherisch über den Park tief unten.
    Der Bürgermeister und seine Begleiter passierten eine Tür mit der Aufschrift Cray Commonwealth von Salkrikaltor. Das Wummern und Dröhnen einer großen,