Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
Vom Netzwerk:
dieser Sache keine Unterstützung gewähren.« Der Botschafter schaute zu Rudgutter auf, ohne eine Miene zu verziehen.
    Der Bürgermeister überlegte. Falls der Botschafter zu feilschen versuchte, tat er es auf eine ungewohnte Art. Rudgutter vergaß seine Vorsicht und schloss die Augen, um nachzudenken, riss sie jedoch schleunigst wieder auf, als er die andere, erschreckende Szenerie sah und den Botschafter in seiner anderen Gestalt. Er unternahm einen zweiten Vorstoß.
    »Ich könnte sogar hinaufgehen bis zu – sagen wir …«
    »Bürgermeister Rudgutter, Sie verstehen nicht«, fiel der Dæmon ihm ins Wort. Seine Stimme klang geschäftsmäßig, trotzdem erweckte er den Eindruck innerer Anspannung. »Es kommt nicht darauf an, wie viele Einheiten Gegenwert Sie mir anbieten oder zu welchen Bedingungen. Wir stehen für diese Arbeit nicht zur Verfügung. Es ist nicht angemessen.«
    Ein langes Schweigen entstand. Rudgutter starrte den Dæmon ungläubig an. Erst allmählich dämmerte ihm, was passierte. In den Wellen blutblasiger Helligkeit sah er den Botschafter eine Schublade aufziehen und einen Stoß Akten herausnehmen.
    »Wenn Sie weiter kein Anliegen haben, Bürgermeister«, sagte er glatt. »Ich habe zu arbeiten.«
    Rudgutter wartete, bis der hoffnungslose, grausame Nachhall arbeiten arbeiten arbeiten verklungen war. Das Echo verursachte ihm ein flaues Gefühl im Magen.
    »Aber ja, selbstverständlich, Botschafter«, sagte er. »Ich bedaure die Störung. Wir haben bald wieder Gelegenheit, uns zu unterhalten, hoffe ich.«
    Der Botschafter neigte höflich zustimmend den Kopf, dann zog er einen Federhalter aus der Innentasche seines Jacketts und begann mit dem Abzeichnen einer Unterschriftenmappe. Hinter Rudgutter drehte Vansetty an Knöpfen und drückte Tasten, und der Dielenboden zitterte wie bei einem Erdbeben. Ein Summen umwogte die gedrängt stehenden Menschen und versetzte ihr kleines Kraftfeld in Schwingungen. Die Moderluft wehte kalt an ihnen hinauf und hinunter.
    Der Botschafter wölbte und verdrehte sich, warf Blasen und schmolz wie eine Heliotypie im Feuer. Das wabernde rote Licht versickerte wer weiß wohin, Dunkelheit sank herab wie ein dickes, weiches, staubiges schwarzes Tuch. Vansettys kleine Kerze flackerte und erlosch.
     
    Nachdem sie sich vergewissert hatten, dass sie unbeobachtet waren, verließen Vansetty, Rudgutter, Stem-Fulcher und Rescue das kleine Büro. Erfrischend kühle Luft wehte ihnen entgegen. Sie wischten sich den Schweiß vom Gesicht und richteten die vom Wind anderer Dimensionen verwehte Kleidung.
    Rudgutter schüttelte ratlos staunend den Kopf. »Ich habe im Lauf der letzten zehn Jahre vielleicht ein Dutzend Mal mit dem Botschafter verhandelt, und ich muss sagen, so wie heute kenne ich ihn nicht. Verfluchte trockene Luft!«, fügte er hinzu und rieb sich die Augen.
    Die vier bogen in den Hauptkorridor ein und gingen zurück zum Aufzug.
    »Inwieweit hat er sich denn heute anders benommen als sonst?«, erkundigte sich Stem-Fulcher. »Ich habe erst zweimal mit ihm zu tun gehabt und kann keine Vergleiche anstellen.«
    Rudgutter überlegte beim Gehen, er zupfte sinnend an Unterlippe und Bart. Seine Augen waren stark blutunterlaufen. Er ließ sich Zeit mit der Antwort.
    »Dazu gibt es zweierlei zu sagen, eins dæmonologisch, das andere unmittelbar unsere derzeitige Situation betreffend.« Rudgutter schlug einen offiziellen Ton an, der seine Minister aufhorchen ließ. Vansetty marschierte ein Stück vor ihnen, seine Arbeit getan.
    »Punkt eins verhilft unter Umständen zu einem gewissen Einblick in die Denkweise der Höllenbrut, ihre Verhaltensmuster und so weiter. Sie haben beide das Echo gehört, nehme ich an? Erst dachte ich, er täte das, um mich einzuschüchtern. Nun, bedenken wir einmal die ungeheure Entfernung, die der Schall zurücklegen musste. Ich weiß«, er hob die Hände, »genau genommen handelt es sich nicht um Schall und nicht um Entfernung, aber diese Begriffe sind extraplanare Analogien, und die meisten Analogien behalten ihre Gültigkeit in mehr oder minder veränderter Form. Also bedenken wir die Entfernung aus der Tiefe der Hölle bis zu unserem Zimmer. Fakt ist, Schall braucht etwas Zeit, um diese Strecke zurückzulegen. Das ›Echo‹ war, nach meiner Annahme, zuerst da. Die geschliffenen Phrasen, die wir aus dem Mund des Botschafters hörten, das war der tatsächliche Nachhall. Das waren die verzerrten Reflexionen.«
    Stem-Fulcher und Rescue schwiegen. Sie dachten an

Weitere Kostenlose Bücher