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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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selbst ging Derkhan schnellen Schritts unter dem Hochgleis der Sud Line hindurch und nach Norden. Der Fluss, den sie eben überquert hatte, lief ihr in einem weiten S wieder entgegen, bevor er geradewegs nach Osten strömte und sich mit dem Canker vereinte.
    Petty Coil ging über in Brock Marsh. Die Häuser wurden kleiner, die Straßen enger und verwinkelter. Vom Verfall bedrohte alte Häuschen neigten sich von hüben und drüben einander zu; mit ihren steilen Spitzdächern, die sie wie Mäntel um schmale Schultern gezogen trugen, sahen sie aus wie Verschwörer. In höhlenartigen Vorzimmern und Hinterhöfen, wo Bäume und Sträucher unter vordringendem Unrat dahinsiechten, warben krude Plakate für Skarabomantie und mediales Lesen und Beschwörungstherapie. Hier kämpften die ärmsten und steifnackigsten unter Brock Marshs unangepassten Chymikern und Thaumaturgen mit Scharlatanen und Quacksalbern um ihre Existenz.
    Derkhan studierte den Plan, den man ihr gegeben hatte, und fand den Weg zu den St. Sorrel’s Mews.
    Es war eine handtuchbreite, kurze Sackgasse, die an einer Mauerruine endete. Rechter Hand entdecke Derkhan das auf dem Zettel beschriebene hohe, rostfarbene Haus. Sie trat durch den türlosen Eingang und suchte zwischen abgefallenen Putzfladen und Steinschutt einen Weg durch den kurzen, unbeleuchteten Gang, in dem die Feuchtigkeit von Decke und Wänden tropfte. Den Abschluss bildete ein Perlenvorhang, nach dem sie laut Anweisung Ausschau halten sollte, leicht pendelnde Schnüre aufgefädelter Glasscherben.
    Sie fasste sich ein Herz, teilte den Vorhang – behutsam, um sich nicht zu verletzen – und trat in den kleinen Raum dahinter.
    Beide Fenster des Zimmers waren blind, dickes Gewebe klebte in großen, faserigen Klumpen an den Scheiben und sorgte für ein stickiges Halbdunkel. Die wenigen Möbelstücke waren, bräunlich wie das Licht, fast unsichtbar. Hinter einem kurzbeinigen Tisch räkelte sich eine dicke, behaarte Frau in der schwellenden Polsterung eines zerschlissenen und nicht nur vom Zahn der Zeit benagten Armsessels.
    Sie schaute Derkhan entgegen.
    »Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie im Ton grämlicher Resignation.
    »Sie sind die Communicatrix?«
    »Umma Balsum.« Die Frau neigte den Kopf. »Sie haben Arbeit für mich?«
    Derkhan trat weiter ins Zimmer und blieb unschlüssig neben einem wulstigen Sofa stehen, bis Umma Balsum ihr mit einer Handbewegung einen Sitzplatz anbot. Derkhan ließ sich nieder und kramte in ihrer großen Tasche.
    »Ich muss mit – mit Benjamin Flex sprechen.« Ihre Stimme klang gepresst. Sie sprach abgehackt, in kurzen Schüben, nahm Anlauf vor dem Namen und stieß ihn hervor. Aus der Tasche zog sie einen kleinen Beutel mit den Gegenständen, die sie in dem zerstörten Schlachthaus zusammengesucht hatte.
     
    Sie war am vorigen Abend nach Dog Fenn geeilt, als die Nachricht von der Niederschlagung des Dockerstreiks durch die Miliz die Runde in New Crobuzon machte. Den Fakten folgten Gerüchte, eins davon über einen gleichzeitigen, kleineren Schlag gegen ein umstürzlerisches Blatt in Dog Fenn.
    Zu später Stunde traf Derkhan, verkleidet wie immer, am Ort des Geschehens ein. Es hatte geregnet, dicke warme Tropfen, die sülzig auf dem Trümmerfeld zerplatzten. Der Eingang war blockiert, Derkhan musste notgedrungen den Weg durch den zahnlos gähnenden Bogen des Kellerlochs nehmen, durch den man an Schlachttagen das Vieh zur Hinrichtung befördert hatte.
    Sie war an der dick mit dem Angstschiss und Blut Tausender panischer Tiere verkrusteten Kante in die Hocke gegangen, hatte sich an den schlüpfrigen Steinen der Einfassung festgehalten und lange gezögert, bis sie den Mut aufbrachte, in die blutdunstgeschwängerte Dunkelheit der verlassenen Mördergrube hinunterzuspringen.
    Heil unten angekommen, kletterte sie über das zerstörte Transportband, schrammte sich an den verstreut herumliegenden Fleischerhaken. Der blutige Schlick auf dem Boden war kalt und klebrig.
    Derkhan arbeitete sich an Mauerbrocken vorbei die halb eingestürzte Treppe hinauf und drang zu Bens Schlafkammer vor, dem Zentrum der Zerstörung. Ihr Weg war gepflastert mit verbogenen Teilen einer Druckerpresse und verkohlten Stoff- und Papierfetzen.
    Der Raum selbst war kaum mehr als ein mit Trümmern gefülltes Loch. Das Bett war unter herabgebrochenem Mauerwerk begraben. Die Wand zwischen der Kammer und dem geheimen Redaktionsbüro war bis auf einen gezackten Steinkranz eingestürzt. Weicher Sommerregen

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