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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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wieder an Bord genommen hatte, behäbig über Dog Fenn hinwegbrummte, über die letzten brutalen Scharmützel bei den Docks, am Parlament vorbei und über das Häusermeer der Stadt in Richtung der Perdido Street Station und der Befragungsräume des Spike.
     
    Anfangs machte es mich krank, in ihrer Nähe zu sein – all diese Menschen mit ihrem, schweren, stinkenden Atem, ihrer Angst, die sie wie Essig aus den Poren ihrer Haut schwitzen. Ich wollte die Kälte wiederhaben, die Dunkelheit unter den Hochbahngleisen, wo primitivere Wesen kämpfen und sterben und gefressen werden. Es liegt Trost in dieser brutalen Einfachheit.
    Aber dies ist nicht meine Heimat und ich habe nicht die Wahl. Ich habe um Beherrschung gerungen. Ich habe mit den fremden Gesetzen der Stadt gekämpft, nichts als strikte Grenzen, Zäune, Linien, die dies von dem und dein von mein trennen. Ich habe gelernt, mich danach zu richten. Ich habe Trost und Schutz darin gesucht, nur mir selbst zu gehören, mein eigener, mein abgegrenzter, mein privater Besitz zu sein – zum allerersten Mal in meinem Leben. Dann aber habe ich jählings erfahren, dass ich das Opfer einer unerhörten Täuschung bin.
    Falsch, alles falsch. In Zeiten der Bedrängnis kann ich hier nicht allein aus mir überleben, ebenso wenig, wie im ewigen Sommer des Cymek (wo »mein Sand« oder »mein Wasser« Unsinnigkeiten sind, die denjenigen töten würden, der sie ausspricht). Die hehre Einsamkeit, die ich gesucht habe, sie ist Illusion. Ich brauche Grimnebulin, Grimnebulin braucht seinen Freund, sein Freund braucht unser aller Hilfe. Es ist ein einfaches Rechenexempel, dass, wer sich abseits aller Gemeinschaft begibt, nicht auf Hilfe zählen kann. Ich muss sie anderen anbieten, um mich zu retten.
    Ich bin gestolpert. Ich darf nicht fallen.
     
    Einst war ich ein Geschöpf der Luft, und sie erinnert sich meiner. Wenn ich die Höhen der Stadt erklimme und mich in den Wind beuge, streichelt er mich mit den Strömungen und Tiden aus meiner Vergangenheit. Ich kann die Pfade von Räubern und Beute in der launischen Dünung über den Untiefen der großen Stadt spüren.
    Ich bin wie ein Taucher, der, seines Anzugs verlustig gegangen, nur noch durch den Glasboden eines Bootes schauen kann und die Geschöpfe der oberen und unteren Dunkelheit beobachten, ihre Wege verfolgen und den Sog der Gezeiten wahrnehmen, wenn auch verfälscht und fern und schwach.
    Ich weiß, etwas Fremdes beunruhigt den Himmel.
    Ich merke es an den Vogelschwärmen, die, ohne sichtbaren Grund, plötzlich von ihrem Weg abschwenken. Ich sehe es an dem ängstlichen Verhalten der Wyrmen, die den Eindruck erwecken, als schauten sie beim Fliegen ständig über die Schulter.
    Die Luft trägt schwer an der Sommerhitze und nun auch an diesen Fremden, diesen Eindringlingen, die ich nicht sehen kann. Ich wittere Gefahr. Meine Neugier wächst. Mein Jagdinstinkt erwacht.
    Doch ich bin erdgebunden.

 
     
     
Teil 4
     
     
Pavor Nocturnus

 
KAPITEL 27
     
     
    Ein Schmerz, wiederkehrend, beharrlich, stocherte Benjamin Flex aus seiner Bewusstlosigkeit. Sein Kopf hämmerte zum Zerspringen, sein Magen fuhr Achterbahn.
    Er saß, an einem Stuhl festgeschnallt, in einem kleinen, antiseptisch weißen Raum. Eine Wand war ein Fenster aus milchigem Glas, das Licht hindurchließ, aber keine Blicke und keine Andeutung dessen, was sich dahinter befand. Ein weiß bekittelter Mann stach ihn mit einem langen Metallkeil, der durch Drähte mit einer summenden Maschine verbunden war.
    Benjamin hob den Blick zum Gesicht des Mannes und sah sein eigenes. Der Weißkittel trug als Maske einen perfekt gerundeten Spiegel, eine konkave Linse, die Benjamin seine von Fausthieben gezeichneten Züge zur Betrachtung vorhielt. Obwohl ins Lächerliche verzerrt und clownesk, erschreckten ihn die grün-blauen Schwellungen und das verkrustete Blut.
    Die Tür war halb offen und ein Mann stand auf der Schwelle. Seine Hand lag auf der Klinke, er unterhielt sich über die Schulter hinweg mit jemandem in dem Flur oder Hauptraum nebenan.
    »… freut mich, dass es Ihre Zustimmung findet«, hörte Benjamin ihn sagen. »… heute Abend mit Cassandra ins Theater und man weiß nie … nein, diese Augen verzaubern mich immer noch …« Der Mann lachte kurz als Erwiderung auf irgendeine ungehörte Höflichkeitsfloskel. Er winkte. Dann drehte er sich um und trat in das kleine Zimmer.
    Er kam näher, und Benjamin sah eine Person, die er kannte, von Versammlungen, von Ansprachen, von

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