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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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sich gab. Sie biss sich auf die Lippen.
    »Was summt da?«, fragte er.
    »Der Apparat, die Kommunikationsmaschine. Sie muss unter Strom gehalten werden.«
    Umma Balsums Kopf nickte. Ihre Hand berührte Derkhans. Derkhan zitterte. Sie fühlte, wie Ben niederkniend ihre freie Hand umfasste.
    »Ich kann dich spüren …« Er lächelte. »Du bist durchsichtig, wie ein Gespenst, aber ich kann dich fühlen.« Das Lächeln erlosch, er suchte nach Worten. »Dee, ich – sie werden mich töten. O Jabber …« Seine Stimme brach. »Ich habe Angst. Ich weiß, diese – Schweine werden es mir nicht leicht machen …« Er konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken, seine Schultern zuckten. Er schwieg und weinte lautlos, mit gesenktem Kopf. Als er wieder aufblickte und weitersprach, klang seine Stimme fest.
    »Zum Henker mit ihnen! Wir haben die Bastarde in den Arsch gekniffen, Dee. Du musst unbedingt nachhaken. Ich ernenne dich hiermit zum Chefredakteur des Lauffeuer …« Er grinste flüchtig. »Hör zu. Geh nach Mafaton. Ich habe sie nur zwei Mal getroffen, in Cafes der näheren Umgebung, aber ich wette, sie wohnt da irgendwo. Meine Informantin. Unsere Treffen fanden immer zu später Stunde statt und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie scharf darauf war, anschließend allein durch die halbe Stadt nach Hause zu laufen. Deshalb bin ich sicher, sie kommt von irgendwo da. Ihr Name ist Magesta Barbile. Viel hat sie mir nicht erzählt, nur, dass irgendein Projekt, an dem sie bei F&E gearbeitet hat – sie ist Wissenschaftlerin –, von der Regierung eingestellt und an irgendeinen Unterweltboss verhökert wurde. Ich hielt die Geschichte eigentlich für hohl, den Artikel habe ich mehr aus Spaß am Zündeln geschrieben, nicht weil ich dachte, es könnte etwas dran sein. Aber bei den Göttern, die Reaktion beweist, wir haben mitten ins Schwarze getroffen!«
    Jetzt kamen Derkhan die Tränen. »Ich werde die Sache verfolgen, Ben. Versprochen.«
    Ben nickte. Beide schwiegen einen Moment.
    »Dee …«, sagte Ben schließlich. »Es – es gibt wohl nichts, was du mit dieser Communisonstwas unternehmen könntest, um … Du kannst mich nicht töten, oder?«
    Derkhan schlug entsetzt die Hand vor den Mund. Sie schaute sich gehetzt um und schüttelte den Kopf. »Nein, Ben. Dazu müsste ich die Communicatrix ermorden …«
    Ben nickte resigniert. »Ich kann nicht garantieren, dass es mir gelingt, den Mund zu halten. Jabber weiß, ich werde mich bemühen, aber – das sind Experten. Und ich – ich könnte es genauso gut gleich hinter mich bringen …«
    Derkhan hielt die Augen geschlossen. Sie weinte um ihn und mit ihm.
    »O Götter, Ben, es tut mir so Leid …«
    Plötzlich straffte er sich. War tapfer. Kämpferisch. »Ich werde mein Möglichstes tun. Du versprich mir, dass du dich um Barbile kümmerst, in Ordnung?«
    Sie nickte.
    »Und danke«, sagte er mit einem schiefen Lächeln. »Und – Lebewohl.«
    Er biss sich auf die Lippen, schaute zu Boden, hob den Kopf, beugte sich vor und drückte ihr einen langen Kuss auf die Wange. Derkhan hielt ihn mit dem linken Arm fest umschlungen.
    Dann machte Benjamin Flex sich los, trat zurück, und mit irgendeinem mentalen Reflex, den die unglückliche Derkhan nicht wahrnahm, gab er Umma Balsum zu verstehen, es sei nun Zeit, die Verbindung zu kappen.
    Wie vorhin durchlief eine Wellenbewegung die Communicatrix. Sie taumelte, und mit einem fast spürbaren Aufatmen erschlaffte ihr massiger Leib zurück in seine ursprüngliche Form.
    Die kleine Kurbel drehte sich unverdrossen weiter, bis Umma Balsum sich aufrichtete, an den Tisch trat und eine gebieterische Hand darauf legte. Sie hielt die Stoppuhr an und verkündete: »Das war’s, Liebchen.«
    Derkhan sank nach vorn und legte den Kopf auf den Tisch. Sie weinte stumm. In seiner Zelle im Spike tat Benjamin Flex das Gleiche.
    Beide allein.
     
    Nach zwei oder drei Minuten schniefte Derkhan laut und richtete sich auf. Umma Balsum saß in ihrem Sessel und rechnete emsig eine Zahlenkolonne zusammen.
    Bei den Geräuschen von Derkhans grimmigen Bemühungen, die Fassung wiederzugewinnen, blickte sie auf.
    »Geht’s wieder?«, erkundigte sie sich munter. »Ich habe Ihre Rechnung fertig gemacht.«
    Die Kaltschnäuzigkeit der Frau traf Derkhan wie ein Stich ins Herz, aber dieser Schmerz verging rasch. Sie wusste nicht, ob Umma Balsum sich an das erinnerte, was sie im Zustand der Harmonisierung hörte oder sagte. Und selbst wenn – Derkhans Tragödie war nur eine von

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