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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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neben David ein Malheur zu beseitigen versuchte. Es hatte den Papierkorb in seinen Sammelbehälter entleeren wollen, ihn verfehlt und den Inhalt auf den Boden geschüttet. Jetzt sammelte es die Zettel und zerknüllten Blätter ein, die ringsum verstreut lagen.
    »Und … Dammich, aber klar!« Isaac schnaufte. »Die Albträume! Sie sind der Dünger! Wie, ich weiß nicht, Kaninchenmist, der die Pflanzen ernährt, von denen sich die Kaninchen ernähren … Es ist eine Kette, ein kleines Ökosystem …«
    »Na endlich!« Vermishank schlug die Hände zusammen. »Endlich fangen Sie an zu denken. Gierfalterfaeces kann man nicht sehen oder riechen, aber man spürt sie. In den Träumen. Es nährt sie, heizt sie an. Und dann nähren sich die Gierfalter sich von den Träumen. Ein perfekter Kreislauf.«
    »Woher weißt du das alles, du Schwein?«, fragte Derkhan von ihrem Platz her mit tonloser Stimme. »Wie lange hast du diese Ungeheuer studiert?«
    »Gierfalter sind äußerst selten. Und ein Staatsgeheimnis. Deshalb waren wir so entzückt über unser kleines Quartett. Wir hatten ein altes, sterbendes Exemplar und bekamen dann die vier neuen Larven. Isaac hatte die fünfte. Das Original, das unsere kleinen Raupen genährt hatte, starb. Wir diskutierten, ob wir ein weiteres Exemplar opfern und den Kokon einer der Puppen öffnen sollten, wovon wir uns unschätzbare Aufschlüsse über den Verlauf der Metamorphose versprachen. Doch bevor wir zu einem Entschluss gekommen waren, sahen wir uns bedauerlicherweise gezwungen«, er seufzte, »alle vier zu verkaufen. Sie waren ein exzessives Risiko. Man setzte uns davon in Kenntnis, dass unsere Forschungsarbeit zu lange dauerte und keine Ergebnisse zeitigte, dass unser Unvermögen, die Exemplare zu kontrollieren, die – hm – Geldgeber nervös machte. Die Finanzierung wurde gekündigt und unsere Abteilung musste schleunigst ihre Außenstände begleichen, in Anbetracht des Fehlschlags unseres Projekts.«
    »Worum ging es dabei?«, fuhr Isaac ihn an. »Waffen? Folter?«
    »Wirklich, Isaac.« Vermishank schüttelte abgeklärt den Kopf. »Schauen Sie sich an, alle Federn gesträubt vor moralischer Entrüstung. Hätten Sie nicht eine von den Raupen gestohlen, hätte sie nicht entkommen und ihre Geschwister befreien können – denn genau das ist geschehen –, und stellen Sie sich vor, wie viele unschuldige Menschen noch am Leben wären.«
    Isaac starrte ihn fassungslos an.
    »Verfluchter Bastard!«, brüllte er, sprang auf und wäre auf Vermishank losgegangen, hätte Lemuel sich nicht eingemischt.
    »Isaac!«, sagte er scharf, und als Isaac den Kopf wandte, sah er, dass die Pistolenmündung jetzt auf ihn zeigte. »Vermishank ist sehr kooperativ, und wir brauchen noch mehr Informationen. Alles klar?«
    Isaac atmete schwer ein und aus, nickte und ließ sich auf seinen Stuhl zurückfallen.
    »Was mich jetzt allerdings auch interessieren würde: Warum bist du so kooperativ, Vermishank?« Lemuel richtete Blick und Pistole wieder auf den Gefangenen.
    Vermishank zuckte die Schultern.
    »Die Aussicht auf Schmerzen hat für mich nichts Verlockendes«, bekannte er mit einem kleinen, affektierten Lächeln. »Hinzu kommt, ob euch das gefällt oder nicht – was immer ich euch erzähle, es wird euch nichts nützen. Ihr könnt sie nicht einfangen. Ihr habt keine Chance gegen die Miliz. Weshalb sollte ich schweigen?« Er schaute mit einer Miene höhnischer Selbstgefälligkeit von einem zum anderen.
    Trotzdem waren seine Augen unruhig, auf seiner Oberlippe glänzte Schweiß. Ein Unterton von Hoffnungslosigkeit steckte tief in seiner Kehle.
    Gottschiet!, kam Isaac schlagartig die Erkenntnis. Er richtete sich auf und fixierte Vermishank. Das sind nicht die einzigen Gründe. Er erzählt uns alles, weil er Angst hat! Er glaubt nicht, dass die Regierung diese Krise meistern kann, und er fürchtet sich. Er will, dass wir es schaffen!
    Es juckte ihn, Vermishank zu ärgern und ihm unter die Nase zu reiben, dass er ihn durchschaut hatte, eine kleine Strafe für die Untaten des Dekans. Aber das konnte sie teuer zu stehen kommen. Wenn er ihn zu dreist brüskierte, ihm zeigte, dass er in ihm eine Angst erkannte, deren Vermishank sich möglicherweise selbst gar nicht bewusst war, dann versagte das alte Ekel ihnen vielleicht aus reiner Gehässigkeit jede weitere Hilfe.
    Wenn Vermishank gern glauben wollte, dass sie keine andere Wahl hatten, als darum zu bitten, dass er ihnen aus dem Füllhorn seines Wissens nach Belieben

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