Perdido Street Station 01 - Die Falter
Tasten für ihre großen Hände ausgerüstet war.
An den Wänden des Saals hatten Remade Aufstellung genommen, wieder überwiegend Menschen, aber auch Angehörige anderer Spezies, obwohl xenianische Remade äußerst selten vorkamen. Einige waren organisch verändert, mit Krallen, Geweihen, aufgepfropften Muskelpaketen, aber die meisten waren Mechs, und ihre Dampfkessel verbreiteten eine unerträgliche Hitze.
Am entgegengesetzten Ende des Raums befand sich ein separater Büroraum.
»Miss Lin, endlich«, dröhnte über dessen Tür eine Stimme aus einem Schalltrichter, kaum das sie eingetreten war. Keine der Schreibkräfte hob den Kopf. »Bitte haben Sie keine Scheu, den Saal zu durchqueren. Ich erwarte Sie hier in meinem Arbeitszimmer.«
Lin suchte sich einen Weg durch die Reihen der Schreibtische. Sie bemühte sich zu erkennen, was dort getippt wurde, obwohl es für ihre Augen eine große Anstrengung bedeutete – auch wegen der Lichtverhältnisse in dem Raum mit den schwarzen Wänden. Die Angestellten tippten blind, nicht einmal wandten sie den Blick von den handschriftlichen Notizen ab, um auf die Tastatur oder die Reinschrift zu schauen.
Mit Bezug auf unser Gespräch vom 13. des Monats, konnte Lin entziffern, teilen wir Ihnen mit, dass Ihr Lizenzunternehmen unter unsere Zuständigkeit fällt; wegen der näheren geschäftlichen Bedingungen werden wir uns mit Ihnen in Verbindung setzen. Lin ging weiter.
Du stirbst morgen, du Stück Dreck, du Wurmschiss. Du wirst die Remade beneiden, du feige Fotze, du wirst schreien, bis dein Mund blutet, las sie auf einem anderen Blatt.
Oh …, dachte Lin. Oh – Hilfe!
Die Tür des Büros öffnete sich.
»Treten Sie ein, Miss Lin, treten Sie ein!«, tönte die Stimme aus dem Trichter.
Lin zögerte nicht. Sie leistete der Aufforderung Folge.
Aktenschränke und Bücherregale beanspruchten den größten Teil des kleinen Zimmers. An einer Wand hing ein kleines traditionelles Ölgemälde von Iron Bay. Hinter einem großen Teakholzschreibtisch stand ein mit den Umrissen von Fischen bemalter Wandschirm, eine größere Ausgabe der Paravents, hinter denen sich Künstlermodelle umzukleiden pflegten. In der Mitte des Schirms bestand einer der Fische aus Spiegelglas, und Lin kam sich darin selbst entgegen.
Sie blieb unschlüssig stehen.
»Nehmen Sie bitte Platz«, forderte eine gemessene Stimme hinter dem Schirm sie auf. Lin zog den Stuhl heran, der vor dem Schreibtisch stand.
»Ich kann Sie sehen, Miss Lin. Der verspiegelte Fisch ist auf meiner Seite ein Fenster. Ich halte es für ein Gebot der Höflichkeit, Besucher davon in Kenntnis zu setzen.«
Der Sprecher schien eine Reaktion zu erwarten, deshalb nickte sie.
»Sie sind unpünktlich, Miss Lin, wie Sie wahrscheinlich wissen.«
Verdammt und zugenäht! Ausgerechnet zu dieser Verabredung zu spät zu kommen! Sie wollte hastig eine Entschuldigung auf ihren Block schreiben, aber die Stimme unterbrach sie.
»Ich beherrsche die Zeichensprache, Miss Lin.«
Sie legte den Block weg und entschuldigte sich ausführlich mit den Händen.
»Keine Sorge«, meinte ihr Gastgeber im Ton falscher Jovialität. »Das kann passieren. Die Stadt der Knochen macht es Ortsunkundigen nicht leicht. Das nächste Mal werden Sie daran denken, dass Sie sich früher auf den Weg machen müssen, nicht wahr?«
Lin nickte, ja, selbstverständlich, sie würde es sich merken.
»Ich bin ein großer Bewunderer Ihrer Kunst, Miss Lin. Ich besitze sämtliche Heliotypen, die über Lucky Gazid den Weg zu mir gefunden haben. Ein erbarmungswürdiger, jämmerlicher, gebrochener Kretin, dieser Mann – Sucht, in fast all ihren Formen, ist äußerst beklagenswert – doch seltsamerweise besitzt er, wie man so sagt, einen Riecher für Kunst. Diese Alexandrine Nevgets, sie war eine seiner Entdeckungen, nicht wahr? Prosaisch, im Gegensatz zu Ihren Arbeiten, aber angenehm. Ich bin immer bereit, Lucky Gazid gegenüber Nachsicht walten zu lassen. Es wird mich betrüben, wenn er stirbt. Zweifellos erwartet ihn ein ruhmloses Ende: ein schmutziges, plumpes Messer, das ihm wegen einer Hand voll Kleingeld in die Eingeweide fährt, oder eine Geschlechtskrankheit rafft ihn dahin, einhergehend mit Schweißausbrüchen und widerwärtigen Exkretionen, empfangen von einer minderjährigen Hure, oder man wird ihm die Knochen brechen, weil er zu gesprächig war – die Miliz zahlt schließlich gut, und Junkies können es sich nicht erlauben, in Geldfragen wählerisch zu sein.«
Die
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