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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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tasteten, Münder glänzten feucht. Vielfarbige Hautwülste kollidierten. Ein gespaltener Huf pochte dumpf auf den Holzboden. Wogen aus Fleisch brandeten widerstreitend gegeneinander. Muskeln, von fremden Sehnen an fremde Knochen gefesselt, arbeiteten in prekärer Allianz, in prüfender, gespannter Gebärde. Schuppen schillerten. Flossen bebten. Flügel flatterten kraftlos. Insektenklauen krallten ins Leere.
    Lin, von Grauen erfüllt, wich zurück, Schritt um Schritt, während er bedächtig, Schritt um Schritt, folgte. Ihr chitingepanzerter Kopfkörper zuckte krampfhaft. Sie zitterte am ganzen Leib.
    Vielgestalt näherte sich ihr wie ein Jäger.
    »Also«, sagte er mit einem seiner grinsenden Münder. »Welches, finden Sie, ist meine Schokoladenseite?«

 
KAPITEL 5
     
     
    Isaac stand vor seinem Besucher und wartete. Der Garuda rührte sich nicht, doch man konnte ihm ansehen, dass er sich konzentrierte. Er bereitete sich darauf vor zu sprechen.
    Als er schließlich das Wort ergriff, klang seine Stimme rau und monoton.
    »Du bist der Wissenschaftler. Du bist – Grimnebulin.«
    Er hatte Mühe, den Namen auszusprechen. Wie bei einem Papagei, dem man das Sprechen beigebracht hat, fand das Formen der Konsonanten und Vokale in der Kehle statt, ohne die Hilfe beweglicher Lippen. Isaac hatte in seinem ganzen Leben erst mit zwei Garuda zu tun gehabt. Einer davon war ein Fliegender Händler gewesen und sehr geübt darin, menschliche Laute zu bilden, der andere ein Student aus der winzigen Garuda-Gemeinde von New Crobuzon und mit dem City-Slang groß geworden. Keiner von beiden hatte sich angehört wie ein Mensch, aber auch nicht annähernd so tierhaft wie dieser große Vogelmensch, der mit einer fremden Sprache kämpfte. Isaac brauchte einen Moment, um zu begreifen, was der andere gesagt hatte.
    »Der bin ich.« Er streckte die Hand aus und fragte betont langsam und deutlich: »Wie ist dein Name?«
    Der Garuda blickte kritisch auf die dargebotene Hand, dann umfasste er sie mit einem unerwartet behutsamen Griff.
    »Yagharek …« Mit einer jähen Betonung auf der ersten Silbe. Der imposante Fremdling verstummte. Seine Haltung und allerlei kleine, unwillkürliche Bewegungen verrieten, dass es ihn Überwindung kostete, weiterzusprechen. Er wiederholte seinen Namen, fügte aber diesmal ein kompliziertes Suffix hinzu.
    Isaac schüttelte den Kopf. »Ist das dein vollständiger Name?«
    »Name – und Titel.«
    Isaac zog eine Augenbraue in die Stirn. »Befinde ich mich demnach in der Gegenwart blauen Blutes?«
    Der Garuda schaute ihn verständnislos an. Endlich antwortete er bedächtig und hielt den Blick dabei unverwandt auf Isaac gerichtet: »Ich bin Allzu Abstraktes Individuum Yagharek Keiner Achtung Würdig.«
    Isaac blinzelte. Er rieb sich das Kinn. »Tja – gut, gut. Du musst mir verzeihen, Yagharek. Ich bin nicht daran gewöhnt, mit Garuda-Honoratioren Umgang zu pflegen.«
    Yagharek bewegte in gravitätischer Verneinung das große Haupt von einer Seite zur anderen. »Du wirst verstehen.«
    Isaac bat seinen Klienten, ihm nach oben zu folgen, was der tat, langsam und überlegt. Seine starken Krallen gruben Furchen in das Holz der Stufen. Die Aufforderung, sich hinzusetzen, wies der andere zurück, ebenso das Angebot, etwas zu essen oder zu trinken. Er blieb stehen, während Isaac an seinem Schreibtisch Platz nahm und gezwungenermaßen zu ihm aufblickte.
    »Also, weshalb bist du hergekommen?«
    Wieder besann Yagharek sich einen Moment, bevor er antwortete.
    »Ich bin seit Tagen in New Crobuzon. Weil hier der Ort ist, wo die Gelehrten sind.«
    »Wo bist du zu Hause?«
    »Der Cymek ist meine Heimat.«
    Isaac stieß einen leisen Pfiff aus. Richtig vermutet. Eine verdammt lange Reise. Wenigstens tausend Meilen durch erbarmungslose, sengende Wüste, durch karges Buschland, über das Meer, über Moor und Steppe. Yagharek musste von einem sehr starken, leidenschaftlichen Verlangen beseelt sein.
    »Was weißt du über New Crobuzons Gelehrte?«, fragte Isaac.
    »Wir lesen von der Universität. Von der Wissenschaft, dem Wandel und Handel, die hier gedeihen wie nirgends sonst. Von Brock Marsh.«
    »Aber woher wisst ihr das alles?«
    »Aus unserer Bibliothek.«
    Isaac war verblüfft und konnte es nicht verbergen.
    »Moment«, sagte er. »Ich dachte, ihr wärt Nomaden.«
    »Ja. Unsere Bibliothek reist mit uns.«
    Und Yagharek berichtete, zu Isaacs wachsendem Erstaunen, von der Cymek-Bibliothek. Von dem bedeutenden Librarier-Clan, dessen

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