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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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es vor ihnen auf dem Tisch auseinander.
    Es war das Werbeplakat eines zur Zeit in Sobek Croix gastierenden Jahrmarkts. Die Rückseite war schrundig von trockenem Kleister: Isaac hatte es von einer Mauer gerissen.
     
    MR. BOMBADREZILS UNVERGLEICHLICHER und WUNDERSAMER JAHRMARKT, ein SPECTACULUM MIRACULOSUM selbst für das anspruchsvollste Publikum. DER PALAST DER LIEBE – DER SAAL DES SCHRECKENS – DER VORTEX sowie viele weitere Attraktionen um ein geringes Entree. Versäumen Sie nicht einen Besuch der BIZARRERIE, staunen Sie über Ungeheuer und Schrecknisse aus den fernsten Weltengegenden! SEHER aus dem GEBORSTENEN LAND – die echte Kralle eines WEBERS – den LEBENDEN TOTENKOPF – die laszive SCHLANGENFRAU – URSUS REX, der Menschenkönig der Bären – KAKTUSDÄUMLINGE – ein GARUDA, Vogelmensch aus der unerforschten Wüste – die STEINMÄNNER aus Bezhek – gebannte DÆMONEN – TANZENDE FISCHE – gestohlene Schätze der GENGRIS und zahllose andere KREATUREN und MIRAKEL. Einige der Attraktionen nicht geeignet für schreckhafte Gemüter und die Zartbesaiteten. Eintritt 5 Heller. Sobek Croix Park, 14er Chet bis 14er Melluary, 18 – 23 Uhr täglich.
     
    »Seht ihr das?« Isaac klopfte mit dem Daumen auf das Plakat. »Sie haben einen Garuda! Ich lasse die ganze Stadt nach allen möglichen Flederwischen abgrasen, um wahrscheinlich zu guter Letzt mit ein paar Dutzend grässlicher, von Ungeziefer wimmelnder Krähen dazusitzen, und dabei hockt mir so ein gottverdammter Garuda direkt vor der Nase!«
    Wirst du hingehen?, fragte Lin.
    »Worauf du Gift nehmen kannst! Gleich im Anschluss an unser geselliges Beisammensein. Ich dachte, wir könnten es vielleicht als gemeinsamen Ausflug gestalten. Die anderen«, er dämpfte die Stimme, »brauchen ja nicht zu wissen, was mich eigentlich hinführt. Ich meine, ein Jahrmarktsbesuch ist immer ein Vergnügen, stimmt’s?«
    Derkhan lächelte und nickte.
    »Hast du vor, den Garuda zu entführen, oder was?«, erkundigte sie sich flüsternd.
    »Tja, möglicherweise erlaubt man mir, einige Heliotypen von ihm anzufertigen, oder ich könnte ihn bitten, dass er ein paar Tage hintereinander zu mir ins Laboratorium kommt … Ich weiß noch nicht. Warten wir’s ab. Was meint ihr? Lust auf einen Bummel über den Jahrmarkt?«
    Lin nahm die Kirschtomate von Isaacs Salatbeilage, reinigte sie penibel von anhaftendem Bratensaft, ergriff sie mit den Mandibeln und begann zu kauen.
    Könnte Spaß machen, zeigte sie. Du zahlst?
    »Aber natürlich zahle ich!«, versicherte Isaac volltönend und schaute sie an, lange, unverwandt. Er vergewisserte sich, dass sie unbeobachtet waren, dann signalisierte er verstohlen: Du hast mir gefehlt.
    Derkhan wandte taktvoll den Blick zur Seite.
    Lin unterbrach den Moment der Intimität, absichtlich, um Isaac zuvorzukommen. Sie klatschte laut in die Hände, bis alle Köpfe sich ihr zuwandten. Sie begann mit den Fingern zu sprechen und forderte Derkhan auf, für sie zu übersetzen.
    »Isaac möchte gern beweisen, dass die Behauptung, Wissenschaftler kennen nur Arbeit und kein Vergnügen, falsch ist. Kopfarbeiter verstehen sich ebenso gut wie wir liederlichen Ästheten darauf, dass Leben zu genießen. Deshalb will er uns alle einladen …« – Lin schwenkte das Plakat und ließ es in die Mitte der langen Tafel segeln, wo alle es sehen konnten – »zu Karussells und Gaukelei und Kokosnusswerfen. Eintritt nur fünf Heller, die Isaac sich freundlicherweise zu übernehmen bereit erklärt hat …«
    »Doch nicht für alle, Dummerchen!«, röhrte Isaac in gespielter Entrüstung, aber das trunkene Freudengeheul übertönte seinen Protest.
    »… zu übernehmen bereit erklärt hat«, wiederholte Derkhan ungerührt. »Deshalb schlage ich vor, dass wir austrinken und aufessen und uns auf den Weg nach Sobek Croix machen.«
    Ein Chor begeisterter Zustimmung folgte ihren Worten. Wer Teller und Glas bereits geleert hatte, suchte seine Siebensachen zusammen; die anderen machten sich mit doppeltem Eifer über Austern, Salat oder gebratene Musa her. Eine Gruppe beliebig vieler Individuen gemeinsam in Marsch zu setzen, war ein mühseliges Unterfangen, dachte Lin resigniert. Es würde noch eine Weile dauern, bis alle aufbruchbereit waren.
    Isaac und Derkhan unterhielten sich flüsternd über den Tisch hinweg. Lins Fühler vibrierten. Sie konnte ein paar Brocken des Gesprächs aufschnappen. Isaac ereiferte sich über Politik. In seinen Gesprächen mit Derkhan brachte Isaac

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