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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Position erwartet die Welt, dass ihm die Heerscharen der Lüfte in den Schoß regnen.«
    »Versuch dein Glück mit einer Zeitungsannonce, alter Freund. Wie kommst du darauf, dass ausgerechnet ich dir helfen kann?«
    »Das erste entscheidende Wort ist Menge, und ich will nicht wissen, woher die Ware kommt. Zweitens, Vielfalt. Mir kommt es darauf an, so viele verschiedene flugfähige Geschöpfe zu untersuchen wie nur möglich, und manches ist nicht leicht zu beschaffen. Zum Exemplum: Wenn ich, sagen wir, eine Aspis haben wollte, dann könnte ich irgendeinem freibeuternden Schiffskapitän teures Geld für ein milbenverseuchtes Exemplar desselben bezahlen – oder aber ich bezahle dich dafür, dass einer deiner ehrenwerten Mitarbeiter oben in East Gidd oder Rim so ein bedauernswertes eingesperrtes Geschöpfchen aus seinem beschissenen goldenen Käfig befreit. Capito?«
    »Isaac, alter Knabe – ich verstehe langsam, worauf du hinauswillst.«
    »Selbstverständlich tust du das, Lemuel, du bist Geschäftsmann. Mein Wunsch richtet sich auf die etwas ausgefalleneren Modelle der fliegenden Spezies. Ich zahle keine Höchstpreise für einen Korb voller Amseln, obwohl auch diese gefiederten Freunde willkommen sind, ebenso wie Drosseln, Dohlen und dergleichen. Tauben, Lemuel, Ordnung Girrvögel, deine werten Namensvettern. Doch trüge ich noch größere Freude im Busen über, zum Beispiel, Libellenschlangen.«
    »Selten«, bemerkte Lemuel angelegentlich, den Blick in die Tiefen seines Bechers gerichtet.
    »Äußerst selten. Und aus ebendiesem Grunde würden für ein Exemplar erster Güte erhebliche Vermögenswerte den Besitzer wechseln. Du verstehst, was ich meine, Lemuel? Ich will Vögel, Insekten, Fiedertiere – auch Eier, auch Kokons, auch Larven, alles, was sich in etwas Fliegendes verwandeln wird. Diese Vorstadien könnten, wenn ich’s recht überlege, für meine Zwecke noch besser geeignet sein. Alles, das aussieht, als würde es in etwa hundegroß. Nichts wesentlich Größeres und nichts Gefährliches. So beeindruckend es sein würde, eine Drud oder ein Windrhino zu fangen, ich lege keinen Wert darauf.«
    »Ganz meine Meinung«, pflichtete Lemuel ihm bei.
    Isaac stopfte einen Fünfguineenschein in Lemuels Brusttasche. Beide Männer hoben das Glas und tranken sich zu.
     
    Das war gestern Abend gewesen. Isaac legte sich wieder hin und malte sich aus, wie seine Bestellung durch die Nachrichtenkanäle von New Crobuzons Unterwelt wanderte.
    Er hatte Lemuels Dienste bereits mehrmals in Anspruch genommen, wenn er seltene oder verbotene Elixiere benötigte, oder ein Grimoire, von welchem in New Crobuzon nur wenige Exemplare vorhanden waren, oder Informationen über die Synthese von illegalen Substanzen. Es amüsierte ihn, sich vorzustellen, wie die hartgesottensten Dunkelmänner zwischen ihren Bandenkriegen und Drogengeschäften Vögeln und Schmetterlingen nachjagten.
    Morgen war Schontag, fiel ihm ein. Lin und er hatten eine Verabredung zum Mittagessen. Lin – sie wusste noch gar nichts von seinem Auftrag! Er konnte eine Auszeit nehmen und seiner Herzliebsten von den jüngsten Erlebnissen berichten. Das war etwas, das er genoss: allen Krimskrams, der sich in seinem Kopf angesammelt hatte, zu nehmen und vor Lin auszubreiten.
    Die Stille sagte ihm, dass Lublamai und David nach Hause gegangen waren. Er war allein.
    Undulierend wie ein Walross schob er lose Blätter und gebundene Schriften vom Bett hinunter. Er drehte den Gashahn zu und reckte sich zum Fenster hinauf. Durch die staubigen Scheiben sah er die große, kalte Mondscheibe und ihre zwei Töchter, Satelliten aus urzeitlichem, leblosem Gestein, die leuchtend wie dicke Glühwürmchen ihre Mutter umkreisten.
    Über der Kontemplation des lunaren Uhrwerks schlummerte Isaac ein. Von Mondlicht übergossen lag er auf seinem Bett und träumte von Lin: einen symbolbefrachteten, erotischen, liebevollen Traum.

 
KAPITEL 7
     
     
    Das Glock’ und Gockel hatte sein Inneres nach außen gekehrt. Tische und bunte Lampions belebten die Terrasse am Ufer des Kanals zwischen Salacus Fields und Sangwine. Gläserklirren und fröhliches Stimmengewirr schallten zu den mürrischen Schiffern hin, die an den Schleusen malochten und sich vom Wasser emportragen ließen, um endlich in Richtung des Flusses weiterzudampfen und das lärmende Wirtshaus hinter sich zu lassen.
    Lin fühlte sich seltsam unwirklich.
    Sie saß am Kopf einer langen Tafel unter einer violetten Ampel, umgeben von ihren

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